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Verschmutzung durch Pestizide mit Hauptursache für Biodiversitätsverlust

Ein aktueller Bericht der europäischen Umweltagentur zeigt, dass trotz Fortschritten in einigen EU-Mitgliedstaaten die Verschmutzung durch Pestizide nach wie vor ein erhebliches Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt. Folglich sind mehr Maßnahmen in der EU erforderlich, um die Auswirkungen chemischer Pestizide zu reduzieren. 

Stabiler Einsatz von Pestiziden in der EU

Unsere derzeitig hoch industrialisierten, monokulturellen Agrarsysteme sind häufig auf große Mengen chemischer Pestizide angewiesen, um die Stabilität der Ernteerträge und die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Zeitgleich führt der Klimawandel zu einer veränderten Verteilung von Schädlingen und damit zu einem erhöhten Pestizideinsatz, während der Einsatz von Pestiziden die natürliche Schädlingsbekämpfung verhindert und Organismen gegen Pestizide resistent macht.

Neben dem Einsatz in der Landwirtschaft werden Pestizide auch großflächig in der Forstwirtschaft, entlang von Straßen und Schienen, in öffentlichen Parks, auf Spielplätzen und in privaten Gärten verwendet. Dabei ist längst bekannt: Der weit verbreitete Einsatz von Pestiziden ist eine der Hauptquellen von Umweltverschmutzungen. Pestizide verunreinigen Wasser, Boden und Luft. Sie sind mitverantwortlich für den Verlust der Biodiversität und werden beim Menschen mit dem Auftreten chronischer Krankheiten wie Krebs sowie Herz-, Atemwegs- und neurologischen Erkrankungen in Verbindung gebracht.

Trotz dieser Kenntnisse blieb der Verkauf von Pestiziden in den Jahren von 2011 bis 2020 in den EU-27-Mitgliedstaaten mit rund 350.000 Tonnen pro Jahr relativ stabil. Die größte Steigerung der verkauften Pestizidmengen war innerhalb dieses Zeitraums in Deutschland und Frankreich zu verzeichnen. Neben Frankreich und Deutschland nehmen Spanien und Italien die höchsten Pestizidmengen in der EU ab. Dies geht damit einher, dass diese vier Länder auch die vier größten landwirtschaftlichen Erzeuger in der EU sind.

Pestizidrückstände in Gewässern und Böden

Im Jahr 2020 wurden an 22 % aller Überwachungsstellen für Oberflächengewässer in Europa ein oder mehrere Pestizide mit Werten oberhalb der kritischen Schwellenwerte nachgewiesen – und damit mit Risiko für die menschliche Gesundheit. Zwischen 2013 und 2020 lag der niedrigste Prozentsatz der Überschreitungen bei 10 % und der höchste bei 25 %.

Daneben wurden Überschreitungen der Grenzwerte auch an 4-11 % der Grundwassermessstellen festgestellt. Beim Grundwasser verursachte das Herbizid Atrazin die meisten Überschreitungen – und das, obwohl Atrazin seit 2007 verboten ist. Daneben enthielten in einer Studie aus dem Jahr 2019 83 % der untersuchten landwirtschaftlichen Böden Pestizidrückstände.

Verlust der biologischen Vielfalt

Die Verschmutzung durch Pestizide ist eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa. Denn Pestizide sind von Natur aus schädlich für lebende Organismen. So zeigen aktuelle Bewertungen, dass Pestizide große direkte oder indirekte Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben und unter anderem zum Rückgang der Populationen von Insekten, Vögeln, Fledermäusen, Regenwürmern, Wasserpflanzen, Fischen und Amphibien beiträgt. Insekten und andere wirbellose Tiere sind dabei am unmittelbarsten von Pestiziden betroffen.

In einer Studie aus dem Jahr 2019 über 576 Schmetterlingsarten in Europa konnte festgestellt werden, dass sich Düngemittel und Pestizide auf 80 % der Arten negativ auswirken. Dies hat indirekt wiederum Auswirkungen auf insektenfressende Vögel und Ackervögel aus: Erst 2023 kam eine Studie zu dem Schluss, dass die Intensivlandwirtschaft und damit einhergehend der intensive Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden einer der Hauptgründe für den Vogelrückgang in der EU ist. 

Mitunter gesundheitsschädliche Auswirkungen auf den Menschen

Auch Menschen sind Pestiziden und deren schädlichen Wirkung ausgesetzt. Sei es durch die Ernährung oder Tätigkeiten in Bereichen, in denen Pestizide verwendet werden. Die Ernährung ist dabei der Hauptberührungspunkt in der Allgemeinbevölkerung aufgrund von Pestizidrückständen in Lebensmitteln, insbesondere in Obst und Gemüse, aber auch in Lebensmitteln tierischen Ursprungs.

Die European Human Biomonitoring Initiative (HBM4EU) führte zwischen 2014 und 2021 eine groß angelegte Human-Biomonitoring-Erhebung bei Erwachsenen und Kindern in fünf europäischen Ländern durch. Das Ergebnis: Insgesamt wurden mindestens 46 Pestizide bei den Teilnehmenden identifiziert, wobei bei 84 % der an der Untersuchung teilnehmenden Personen mindestens zwei Pestizide im Körper festgestellt wurden. Zwar ist es derzeit noch nicht möglich, Schätzungen über die Krankheitslast durch Pestizide in Europa abzuleiten, doch es wurde bereits ein enger Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Pestiziden und einem erhöhten Risiko für mehrere chronische Krankheiten festgestellt. Darunter fallen verschiedene Krebsarten (z. B. Non-Hodgkin-Lymphom, Eierstock-, Brust-, Gehirn- und Prostatakrebs), neurologische Störungen wie Parkinson- und Alzheimer-Krankheiten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen; Entwicklungsverzögerungen bei Kindern, Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit, kognitive Beeinträchtigungen sowie Beeinträchtigungen der Gesundheit der Atemwege.

Alternative Modelle in der Landwirtschaft

Um die Abhängigkeit von chemischen Pestiziden zu reduzieren und die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, ist es laut europäischer Umweltagentur von entscheidender Bedeutung, den Wandel hin zu alternativen Modellen der Landwirtschaft zu fördern und schnell voranzutreiben. Ökologische Konzepte und Grundsätze sollten verstärkt auf die landwirtschaftliche Produktion angewandt werden, sodass der Einsatz von Pestiziden reduziert werden kann. Weltweit gibt es derzeit bereits verschiedene Landwirtschaftssysteme, welche ohne synthetische Pestizide auskommen, zum Beispiel der biologische, ökologische und biologisch-dynamische Landbau, die Permakultur und der Dynamische Agroforst.

Zwar erwirtschaftet die biologische Landwirtschaft oftmals geringere Erträge als die konventionelle Landwirtschaft, jedoch ist sie umweltfreundlicher und stellt hochwertigere Lebensmittel her, die frei von Schadstoffen sind. Zudem bietet der Biolandbau mehr Ökosystemdienstleistungen. Der einzige Weg, die Welt nachhaltig zu ernähren, ist laut Handels- und Umweltbericht der Vereinten Nationen daher eine kleinteilige, biologische Landwirtschaft.

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Quellen:

European Environment Agency: Mehr Maßnahmen in der EU erforderlich, um die Auswirkungen chemischer Pestizide zu reduzieren

European Environment Agency: How pesticides impact human health and ecosystems in Europe

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