· Südthüringer Zeitung, Maria-Theresia Wagner

Land kaufen, Natur schützen, sich gut fühlen

Ein Verein sucht Paten, damit ein Sumpfwald sich selbst überlassen bleiben kann. Das Konzept ist einfach. Man wolle etwas für die Natur tun. Man kaufe ein Stück Land. Man überlasse es sich selbst. Man schütze ein Stück Lebensraum.

Ein schwieriges Projekt

Liebe Leserin, Lieber Leser,

Die Realisierung ist nicht ganz so einfach. Aber machbar, sagt Katja Wiese, wenn man das Konzept richtig vermarkte.

Genau das hat Katja Wiese vor. Sie habe das "Know-how für professionelles Marketing", sie wisse, "dass der Weg zum Umweltschutz sehr mühsam" ist und sie hat "den Traum, mit und für die Natur was zu machen". Schon lange, erzählt sie, hab´ ich diesen Traum gehabt", seit sie als Dreizehnjährige in Husum die großen Flächen trockengelegter Sümpfe gesehen und sich vorgenhommen habe: "Wenn ich groß bin, kauf´ ich Land für die Natur". Vor einem Jahr, da war sie 26, hatte als Journalistin, als PR-Beraterin und für den World Wildlife Found gearbeitet, beschloss sie, dass es an der Zeit sei, ihren Traum zu verwirklichen. Katja Wiese gründete den Verein "Naturefund", der dazu beitragen soll, dass im Jahr 2020 in jedem Land der Erde zehn Prozent der Fläche unter Naturschutz stehen. Ein anspruchvolles Ziel, mit dessen Verwirklichung sie "gleich vor der Haustür" anfangen will.

Ein wirklich schönes Stück Naturschutzgebiet

Vor der Haustür liegt in diesem Fall Nordhessen. Ein kleiner Sumpfwald an der hessisch-thüringischen Grenze, seit vielen Jahren fast unberührt und Heimat der größten hessischen Graureiher-Kolonie. Ein "seltsames, wirklich schönes Stück Naturschutzgebiet", sagt Walter Gräf, Vorsitzender der Ortsgruppe Obersuhl des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). "Das Wichtigste für uns sind die Graureiher, die sind seit 25 Jahren da drin" aber es leben dort auch Molche und Kraniche, "hier ist immer was los". Der Sumpfwald grenzt direkt an das Grüne Band, auf Thüringer Seite ist das Gelände bereits Naturschutzgebiet.

Dieser Wald, 80.000 Quadratmeter Land, soll gekauft und dann, sagt Katja Wiese, komplett in Ruhe gelassen, komplett sich selbst überlassen werden". Mit staatlichen Mitteln könne man in Zeiten leerer Kassen nicht rechnen. Und für den NABU, seufzt Walter Gräf, " ist dieser Brocken zu groß, diese Kapazitäten haben wir nicht". Weil er aber "fast alles tue für den Naturschutz, so einer bin der sich seit vierzig Jahren ein Bein rausreißen lässt für den Naturschutz", habe er in Absprache mit dem Landesverband die Zusammenarbeit mit Naturefund begonnen.

Intelligentes Marketing

Das Konzept von Katja Wiese ist ein Vermarktungskonzept: Sie sucht Menschen, die für 1 € pro Quadratmeter den Sumpfwald "kaufen". Mit 30 € ist die Patenschaft für eine Parzelle zu "erwerben". Wer Pate wird, bekommt einen Patencode und kann sich auf der interaktiven Internetseite von Naturefund exakt "sein" Stück Natur ansehen – wahlweise die Graureiher-Kolonie, ein Stück Sumpfwald oder einen kleinen Teich auf der Feuchtwiese. Für die Paten bleibt der Besitz virtuell, Eigentümer und Betreuer soll der NABU Hessen werden, ins Grundbuch eingetragen würde der Verein Naturefund.

Der hat, sagt Katja Wiese, ein Vorkaufsrecht für das Waldstück, " wir brauchen 70 000 €". Ein Jahr habe sie Zeit, 2500 Parzellen zu verkaufen. Und den jetzigen Besitzer, die Gemeinde Berka-Dankmarshausen in Thüringen, davon zu überzeugen, das Land tatsächlich dem Naturschutz zu überlassen. Walter Gräf sieht darin das kleinere Problem. "Mit der Ecke weiß keiner was anzufangen", sagt er, und "die Gemeinden sind doch arm wie Mausi".

Es bestehe "grundsätzliche Bereitschaft, das Land an den Naturschutz zu veräußern" sagt Johannes Worth, der Vorsitzendende der Verwaltungsgemeinschaft Berka/Werra, "aber Sie wissen doch, wie die Leute sind". Die Leute sind nicht zuletzt die Bauern, die vor vielen Jahren einmal das Gebiet entwässert, landwirtschaftlich nutzbar gemacht haben und darauf, weiß Gerhard Schössle, "sehr stolz waren – es hängen immer noch Emotionen an diesem Stück". Schössler ist der Bürgermeister von Dankmarshausen, der Wald wächst auf dem Boden seiner Gemeinde. Dass jetzt, wenige Wochen vor der Kommunalwahl, darüber gesprochen wird, ist ihm gar nicht recht. Er will "nicht vorgreifen", will "keine Tatsachen schaffen vor der Wahl", die der neue Gemeinderat dann hinnehmen müsste, weil er sich auch, wo er selbst nicht mehr für das Amt des Bürgermeisters kandidiert nicht vorwerfen lassen, er habe ohne Not Land verkauft. "Wir sind schuldenfrei", sagt er. Und es ist ihm wichtig, klarzustellen, dass die Gemeinde Dankmarshausen den Wald nicht verkaufen muss. "In der Regel soll man Land nicht verkaufen". Dennoch habe man "das in Erwägung gezogen", ein Wertgutachten machen lassen, "der Preis ist o.k." Ein Mitspracherecht werde die Gemeinde in jedem Fall behalten. Und, sagt Johannes Worth, "den Erlös verwenden, wieder Land zu kaufen". Er werde "sich dafür verwenden".

Ein "ganz sinnvolles" Konzept

Das Konzept von Naturefund sei "ganz sinnvoll", bestätigt Petra Freytag, Pressesprecherin des Landesverwaltungsamts in Weimar, zuständig auch für die Obere Naturschutzbehörde in Thüringen. Vor allem, weil es "die Bemühungen um das Grüne Band unterstützt". Eigentlich, sagt Katja Wiese, "gibt es nur Vorteile". Viele Menschen fühlten sich grundsätzlich angesprochen vom Naturschutz, " haben aber wenig Zeit, wollen nicht viel tun", seien eher bereit "nur Geld auszugeben". Genau das will sie sich zunutze machen - "mit geringem Marketing die maximalen Ziele erreichen". Die großen Naturschutz-Organisationen seien "sehr verwurzelt, vermarkten sich nicht gut genug", hätten dies aber eingesehen und begonnen, "sich auf neue Wege einzulassen". Sie habe in den vergangenen Wochen mehr als siebzig Parzellen verkauft und "o.k., auch welche verschenkt", und festgestellt, " die Leute finden die Idee klasse". Weil "es ein gutes Gefühl ist, Natur zu schützen, ein Gefühl das Spaß bringt". Wichtig ist der PR-Fachfrau Katja Wiese das, was sie "After Sales Support" nennt: Kontakt zu den Förderern des Projekts, Newsletter, Information, eine Führung durch den Sumpfwald ist geplant - "ich spende und sehe, es passiert was". Zehn Prozent des eingenommenen Geldes fließt in die Patenbetreuung, mit weiteren zehn Prozent finanziert sich der Verein Naturefund, 80 Prozent kommen in die Wald-Sparbüchse.

Ob das Konzept funktionieren kann? "Abwarten", sagt Gerhard Schössler. " Das wäre zu begrüßen", sagt Petra Freytag. "Das hoffen wir", sagt Walter Gräfe. "Ja klar", sagt Katja Wiese, "das wird klappen – junge Frau verwirklicht ihren Traum".

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