Baumreihe auf einem Acker
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Wenn Bäume auf dem Acker wachsen

Eine Woche lang dreht sich im Ökodorf Sieben Linden alles um das Thema Agroforst, die Verbindung von Land und Forstwirtschaft. Zum Auftakt pflanzten die Seminarteilnehmer auf der Agroforst-Fläche des Dorfes einen Baum.

Poppau – Seit letztem Herbst betreut das Ökodorf Sieben Linden zwei Parzellen auf einem von einem Biobauern bewirtschafteten Acker nordöstlich des Dorfes. Auf jeweils 220 Meter Länge wurden in einem schmalen Streifen mitten auf dem Feld Baumreihen gepflanzt. „Und zwar so, dass die Erosion durch den Wind aufgehalten wird“, erläuterte Doris Emme, die sich mit um das Agroforst-Modellprojekt kümmert, Land- und Forstwirtschaft, die sonst strikt getrennt voneinander agieren, sollen hier eine Symbiose eingehen.

Neben Walnüssen und Esskastanien haben auf der zehn Hektar großen Fläche auch Apfelbäume, Holzbirnen, Zwetschgen, essbare Ebereschen und Weiden Platz gefunden. Hinzu kommen Büsche mit Johannis- und Stachelbeeren, Weißdorn, Feldahorn, Haselnuss, Holunder und Hundsrosen. Zu den 50 Bäumen und 80 Sträuchern, die hier schon wachsen, kam am Sonnabend zum Auftakt des Agroforst-Wochenendseminars eine weitere Birne hinzu. Die knapp 20 Teilnehmer, die unter anderem aus Berlin, Hannover, Weimar, dem Wendland und der Schweiz nach Sieben Linden kamen, setzten den Baum in das vorbereitete Pflanzenloch. „Damit ersetzten wie einen Baum, der, wie andere auch, nicht angewachsen ist, weil die Wühlmäuse sehr aktiv waren“, berichtete Simone Britsch vom Bildungsreferat des Ökodorfes. Um die kleinen Nager auf dem Feld effektiver zu bekämpfen, setzen die Siebenlindener auf die Hilfe von Greifvögeln. Vier Ansitzstangen für die Mäusejäger wurden von den Seminarteilnehmern in den Boden gesetzt.

Wissenswertes

Als Agroforstwirtschaft werden Landnutzungssysteme bezeichnet, bei denen Gehölze (Bäume oder Sträucher) mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung so auf einer Fläche kombiniert werden, dass zwischen den verschiedenen Komponenten ökologische und ökonomische Vorteilswirkungen entstehen. Beim dynamischen Agroforst werden Nutz- und Beipflanzen auf derselben Fläche nach den Prinzipien Vielfalt, Dichte und Schnitt eng zusammengepflanzt, so dass ein dynamisches Pflanzensystem entsteht. Im Rahmen des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) wird die Ersteinrichtung von Agrarforstsystemen auf landwirtschaftlichen Flächen gefördert.

Biomasse trägt zur Bodenverbesserung bei

Was es mit dem dynamischen Agroforst-System auf sich hat und wie die Bäume auf dem Acker am besten gepflanzt und beschnitten werden, erfuhren die Teilnehmer von Seminarleiterin Noemi Stadler-Kaulich. Die 62-Jährige ist seit 2011 weltweit als technische Fachkraft in Sachen Schulung und Anwendung des dynamischen Agroforsts unterwegs und bewirtschaftet in Bolivien seit 1998 eine eigene Forschungsfarm mit dieser Methode.Dabei wird die natürliche Sukzession genutzt. Pionierpflanzen wie Gräser bedecken den Boden, schützen ihn vor Austrocknung und schaffen die Voraussetzung für die Ansiedlung von ein- und mehrjährigen Pflanzen und Blumen, später Büschen und Bäumen bis hin zum Wald. So profitiert ein Apfelbaum von den Begleitpflanzen, die mit zunehmender Höhe des Baumes von selbst vergehen und wertvolle Biomasse bilden.
Weil die Pflanzen sehr eng nebeneinander gesetzt werden, wird ein regelmäßiges Beschneiden notwendig. Das Schnittgut landet dabei ebenfalls auf der Erde und trägt zur Bodengenese bei. „Zudem wird die Pflanze durch das Zurückschneiden gereizt und die Wurzelmasse gestärkt, um neu auszutreiben“, erläuterte Noemi Stadler-Kaulich. Während sich Monokultur-Pflanzen auf dem Acker die gleichen Nährstoffe gegenseitig rauben, wird der Boden mit zunehmender Artenvielfalt auf der gleichen Fläche weniger stark ausgelaugt. Die Biomasse wird mit der Zeit zu Humus, und die von ihr lebenden Kleinlebewesen erhöhen die Bodenfruchtbarkeit und -gesundheit. Zudem wird über den Humusaufbau verstärkt Kohlenstoff im Boden gespeichert.
„Dynamischer Agroforst ist auch eine Antwort auf die sommerlichen Dürren“, ist sich Noemi Stadler-Kaulich sicher. Zudem werde die Biodiversität gestärkt, etwa indem der nicht beackerte Boden den nützlichen Wildbienen ein Zuhause bietet.

Förderung aus dem EU-Topf wird angestrebt

Derzeit wird Agroforstwirtschaft – mit Ausnahme der Ersteinrichtung – noch nicht gefördert. Es fehlt die entsprechende Code-Nummer, um aus der ersten Säule der EU-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ Geld zu erhalten. „Das wird sich aber hoffentlich bald ändern“, meint die Expertin unter Verweis auf erste Initiativen im Land Brandenburg.
Im November soll der Agroforst-Modellacker des Ökodorfes noch einmal um 25 Bäume erweitert werden. Diese Aktion wird finanziell unterstützt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Naturschutzverein Naturefund.

Weitere Informationen zum Dynamischen Agroforst