· NF Pressemitteilung

Wiesbaden braucht ein nachhaltiges Baumkonzept

Deutlich mehr Bäume als befürchtet von Misteln befallen/„Jeder Baum zählt!“

Pilze, Käfer, Misteln, Streusalz, Abgase und einige Probleme mehr – Wiesbadens Stadtbäume haben schwer zu kämpfen und die Trockenheit des vergangenen Sommers trägt dazu bei, die Bäume noch anfälliger zu machen. Die Misteln sind zwar nur einer der Faktoren, der die Bäume schwächt, aber, so Katja Wiese von Naturefund: „Den Bäumen würde es helfen, wenn diese rechtzeitig entfernt würden. Sie hätten mehr Widerstandskraft gegenüber anderen Problemen.“ 

300 der über 45.000 Stadtbäume in Wiesbaden seien von Misteln befallen, erklärte das Grünflächenamt auf eine öffentlichen Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beim Umweltausschuss am 29.01.2019. Eine Zahl, die Wiese so nicht stehen lassen will: „Wir schätzen, dass der Mistelbefall sehr viel höher ist, als von der Stadt angegeben.“ Damit diese Vermutung mit Fakten unterlegt werden kann, hatte Naturefund am 5. März zu einer gemeinsamen Kartierung in der Wiesbadener Innenstadt eingeladen. In nur vier Stunden konnte ein kleines Team aus Freiwilligen auf weniger als 5 % der Wiesbadener Stadtfläche knapp 400 von Misteln befallene Bäume kartieren, darunter 253 städtische Bäume. Von diesen 253 städtischen Bäumen sind aktuell 112 Bäume so stark von Misteln befallen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren eingehen werden. Die Kartierung wurde mit einem ArcGis-Programm vorgenommen. Alle Bäume wurden fotografiert und sind transparent für die Öffentlichkeit einsehbar. Hier finden Sie die Kartierung: www.naturefund.de/misteln-wiesbaden

„Wir haben dazu extra eine App eingerichtet, welche die Kartierung mistelbefallener Bäume leicht macht. Dass wir in kurzer Zeit auf so viele befallene Bäume auf weniger als fünf Prozent des Stadtgebiets gekommen sind, hätten wir selbst nicht gedacht“, berichtet Wiese. Sie wirft der Stadt vor, durch ihre Untätigkeit in Sachen Misteln den Bäumen massiv zu schaden und durch unterlassene Pflegemaßnahmen nicht Geld einzusparen, sondern dadurch spätere nötige Nachpflanzungen zu fördern, die deutlich mehr Kosten verursachen. 
Das Grünflächenamt schneidet die Bäume durchaus, z. B. zur Verkehrssicherheit im Stadtgebiet, die natürlich sehr wichtig ist. Warum bei diesen Maßnahmen oder solchen der allgemeinen Baumpflege die schädigenden Misteln nicht gleich mit entfernt würden, bleibe für Wiese eine offene Frage. Pro Baum rechnet Wiese mit etwa 500 Euro für die Mistelentfernung, inklusive Nachpflege im kommende Jahr – Kosten, die in keinem Verhältnis zu denen stünden, die entstehen, wenn abgewartet werde, bis der Baum abgestorben sei.

Für jeden alten Baum, der gefällt und durch einen jungen ersetzt wird, fielen mehrere Tausend Euro an, erklärt Wiese. „Kosten für die Fällung, die Neupflanzung und für Anwuchspflege wie z. B. häufiges Wässern im Stadtgebiet kann bis zu 3.000 € und mehr betragen.“ Vor allem sollten auch die Ökosystemleistungen mit einberechnet werden, denn ein alter Baum mit einer großen Krone und vielen Blättern trage einen erheblichen Beitrag zum Stadtklima – eine Leistung, die ein junger Baum erst nach sehr vielen Jahren ebenfalls erzielen könne. Für den Verlust dieser Ökosystemleistungen im Stadtgebiet kalkulieren Gutachter bei Fällung oder Absterben eines 30 Jahre alten Baumes in der Regel Kosten in Höhe von 5.000 €.

Für Unverständnis sorgt auch die Tatsache, dass die Misteln eines Baumes nahe des RheinMain CongressCenters, die in einem Beitrag des Hessischen Rundfunks zum Thema vor einigen Wochen im Fernsehen zu sehen waren, entfernt wurden, die zahlreichen Misteln eines zehn Meter weiter stehenden Baumes des Stadt Wiesbaden aber nicht. „Das zeigt uns, dass die Stadt ohne Konzept vorgeht. Mal werden Misteln geschnitten, mal nicht. Wir sehen hinter dieser Handlungsweise kein schlüssiges Vorgehen und fordern deshalb dringend ein nachhaltiges und transparentes Konzept zum Schutz der Stadtbäume“, so Wiese weiter.

Im Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels für Bäume haben andere Städte bereits Maßnahmen umgesetzt. Erfahrungen aus Stockholm zeigen zum Beispiel, dass Stadtbäume deutlich vitaler sind und besser wachsen, wenn im Bodenbereich Pflanzenkohle zugegeben wird. Gerade im Hinblick auf Starkregen und lange Trockenperioden habe das schwarze, kleinporige Material bewiesen, dass die Bäume von dessen großer Fähigkeit, Wasser zu speichern und sukzessive wieder abzugeben, enorm profitieren.
Dem Argument, die Mistelbekämpfung würde große Schnittstellen am Baum hervorrufen, die als Eintrittsstelle für Infektionen zu sehen seien, kann Wiese ebenfalls nichts abgewinnen, schließlich würden solche großen Schnitte bei Verkehrssicherungsmaßnahmen ebenfalls durchgeführt. Ohnehin habe die Mistelkartierung am 05.03.2019 gezeigt, dass 80 % der Misteln im äußeren Kronenbereich an Ästen von 5 cm Durchmesser und weniger sitzen. Naturefund wünscht sich vor allem ein transparentes Vorgehen der Stadt und dass das Grünflächenamt das Wissen, das in der Stadt bei verschiedenen Organisationen des Naturschutzes vorhanden sei, mit einbeziehe. Wiese: „Das Wissen ist da, es kann kostengünstig abgerufen und umgesetzt werden und die Bäume langfristig erhalten helfen.“ 

Weitere Informationen:

Pressekontakt Naturefund:
Katja Wiese: Tel.: 0611 504 581 019, katja.wiese@naturefund.de
Naturefund e. V., Karl-Glässing-Straße 5, 65183 Wiesbaden

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