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Ein Geschenk zum Überleben für den Kiebitz

Gut geschützt: ein Kiebitzgelege - Einer der letzten Brutplätze im südlichen Hessen für den stark gefährdeten Vogel ist gesichert.

Dramatischer Rückgang der Bestände

Vor zwei Jahrzehnten ist der Kiebitz noch ein in Massen auftretender Vogel gewesen. Dann brachen seine Bestände dramatisch ein. Die Zahl der Brutpaare in Hessen schrumpfte in dieser relativ kurzen Zeit um 95 Prozent und noch stärker in der Auenlandschaft im Kinzigtal, wo der schöne Wiesenvogel über Jahrhunderte ideale Lebensbedingungen vorgefunden hatte. Hier in einem der größten Kiebitz-Gebiete Hessens fanden die Vogelschützer vor fünf Jahren nur noch ein Brutpaar. Die seitdem verstärkten Anstrengungen, Vanellus vanellus, so der wissenschaftliche Name, vor der endgültigen Ausrottung hierzulande zu bewahren, sind von ersten Erfolgen gekrönt. Durch den Ankauf einer ein Hektar großen Wiesenfläche konnte jetzt einer der letzten bedeutenden Brutplätze für den Kiebitz im südlichen Hessen gesichert werden.

„Kiebitzland“

„Kiebitzland“ heißt bei der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) in Rodenbach die nahegelegene Auenlandschaft „Langenselbolder Flos“, das letzte Refugium einer geselligen Vogelart, der früher das gesamte Tal der Kinzig von der Quelle bei Sinntal-Sterbfritz bis zur Mündung in den Main in Hanau gehörte. Ihrer Population schadete es dereinst nicht einmal, dass seine Eier vom Menschen als Delikatesse geschätzt wurden. Für viele Leute stellte das Sammeln und Verkaufen der Eier noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts einen einträglichen Nebenerwerb war. Im feuchten, oft sumpfigen Wiesengrund entgingen genug Nester den menschlichen Nachstellungen, so dass trotz der Nesträuberei alljährlich eine große Zahl von Jungvögeln aufwuchs.

Modernes Agrarsystem verantwortlich

Wie der Storch, dem die Naturschützer mit beachtenswertem Erfolg bessere Lebens- und Brutbedingungen im Kinzigtal verschafften, so ist auch der Kiebitz ein Indikator für den Zustand der Natur. Sein Verschwinden aus seinem angestammten Brutgebiet hier bedeutet das Verschwinden vieler Arten.Zwar kann man im Herbst immer wieder einmal eine größere Zahl von Kiebitzen beobachten, wie sie sich im Kinzigtal herumtreiben, doch lässt dies keine Rückschlüsse auf sein tatsächliches Vorkommen in der Region zu. Der Kiebitz rottet sich gern zur Vogelflugzeit in größeren Trupps zusammen, bevor er zum Überwintern nach Spanien oder Frankreich fliegt. Das Kinzigtal ist ein seit Menschengedenken ein solches Sammelgebiet, die meisten Vögel brüten jedoch in anderen Regionen und ziehen nur durch. Die Biologin Susanne Hufmann von der HGON macht das moderne Agrarsystem für das Verschwinden der einheimischen Brutgebiete verantwortlich. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit starker Düngung und die frühen Mahdtermine, Entwässerungen und Umbruch von Feuchtgrünland in Ackerland hätten nicht nur dem Kiebitz den Lebensraum geraubt, sondern auch den anderen Bodenbrütern, wie Bekassine, Uferschnepfe und Großem Brachvogel. Der Versuch der Kiebitze, auf Ackerflächen umzuziehen und hier die Nachkommenschaft zu sichern, sei meist gescheitert.

Spenden sind weiter nötig

Die Erkenntnis, dass der Vogel eine Chance zu überleben nur dann hat, wenn offene Feuchtlandflächen zurückgewonnen werden, führte zu den verstärkten Bemühungen der HGON in Rodenbach, Land für ihn zu kaufen. Jahrelang hat schon eine von T-Mobile unterstützte Handy-Sammelaktion beachtliche Summen eingetragen. Die Vogelschützer konnten mit dem Geld artengerechte Biotope für die scheuen Wiesenbrüter anlegen. Mehrere Paare ließen sich im letzten Brutgebiet, dem „Langenselbolder Flos“ nieder und schafften es, ihren Nachwuchs großzuziehen. Als ein Glücksfall erwies sich in diesem Jahr die Möglichkeit, dieses geschützte Areal mit dem Kauf eines ein Hektar großen, angrenzenden Wiesengeländes deutlich zu erweitern. Die Aktion „Wir kaufen Land für den Kiebitz“ wurde ins Leben gerufen. Schon für zehn Euro konnten die Spender den Vögeln vier Quadratmeter Feuchtgrünland sichern. Mit Hilfe vieler Menschen und der engen Kooperation mit dem Wiesbadener Naturfund und einen größeren Spendenbetrag der Naturschutz-Stiftung aus Wehrheim gelang es, das Geld binnen weniger Monate zusammen zu bekommen und vor wenigen Tagen den Kaufvertrag zu unterzeichnen. „Wir erleben es immer wieder, wie wirkungsvoll Naturschutz sein kann , wenn verschiedene Organisationen zusammen mit zahlreichen Privatpersonen an einem Strang ziehen“, sagt Katja Wiese, Geschäftsführerin von Naturefund. Für den Arbeitskreis Main-Kinzig der HGON steht nun die Umgestaltung der Wiese in ein kiebitzgerechtes Biotop an, von dem auch Storch und andere Tierarten profitieren sollen. „Wir wollen zum Beispiel größere Flutmulden anlegen,“ um das Nahrungsangebot für die Jungvögel zu verbessern, sagt Susanne Hufmann. Das heißt: Spenden sind weiter nötig. Und der Verkäufer der bislang intensiv genutzten Wiese erklärte, er würde gern weiteres Land an eine Naturschutzorganisation veräußern.

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