Es besteht Hoffnung
Wenn ein leistungsfähiges europäisches Fernübertragungsnetz und ein vereinter Elektrizitäts-Binnenmarkt geschaffen werden und mit ähnlichen Netzen und Märkten in Nordafrika verbunden werden, können bis zur Mitte des Jahrhunderts Erneuerbare Energieträger in großem Maßstab genutzt werden. Das geht aus einem in der vergangenen Woche von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers veröffentlichten Bericht hervor. Eine Gruppe von Energie- und Klimaexperten des Unternehmens hatte gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dem International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) und dem European Climate Forum mögliche Transformationen des europäischen und nordafrikanischen Stromsektors untersucht. Die Umstellung auf Erneuerbare könnte Energiesicherheit bieten, die Stromerzeugung dekarbonisieren und Energiearmut verringern, heißt es in dem Bericht.Roadmap für die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien
Zum ersten Mal wurde mit dem Gutachten eine Roadmap für die Umstellung des europäischen und nordafrikanischen Strommarktes auf einhundert Prozent Erneuerbare Energien bis 2050 erstellt. Dazu untersuchten die Forscher den Markt hinsichtlich der notwendigen finanziellen, infrastrukturellen und regierungspolitischen Meilensteine für politische Entscheidungsträger und Unternehmen.Vier wichtigte Handlungsbereiche
Die Roadmap umfasst die vier wichtigsten Handlungsbereiche Politik, Märkte, Investitionen und Infrastruktur. Politische Führung wird als wichtigstes Element erachtet. Sie kann für einen langfristigen ordnungspolitischen Rahmen sorgen, der Investitionen fördert und den Aufbau der notwendigen Versorgungskette und Netzinfrastruktur ermöglicht.Europa an einem Scheideweg
Gus Schellekens von PricewaterhouseCoopers sieht Europa und andere Weltregionen an einem Scheideweg, an dem sich die Gelegenheit bietet, großräumig Erneuerbaren Strom zu gewinnen. „Mit Strom aus sauberen und erschwinglichen Energiequellen hat man in den vergangenen 150 Jahren zwar geliebäugelt, aber sie nie konsequent nutzbar gemacht. Das könnte sich jetzt ändern“, sagt Schellekens.Die wichtigsten Schritte
Das Gutachten benennt als wichtigste Schritte bis 2050:- Entwicklung europaweiter Business Cases für Erneuerbaren Strom bis 2015 sowie Netzinfrastrukturprojekte auf europäischer Ebene mit langfristigen Zielen für Erneuerbare Energien und Klimaschutz;
- Aufbau großer Kapazitäten zur Stromübertragung ab 2015, um die Potenziale von Wind und Sonne effizient zu nutzen;
- Abbau von Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2020 und Entwicklung eines strategischen Zeitplans für den Ausstieg aus den Finanzhilfen für Erneuerbare Energien;
- Festlegung von Zielen für Erneuerbare Energien für Nordafrika bis 2020;
- Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für Strom bis 2020;
- Strategische Stilllegung von fossilen Kraftwerken in der EU und in Nordafrika ab 2030, um ihre Leistung bis 2040 durch Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zu ersetzen.
Alle Voraussetzungen für eine Umstellung sind gegeben
Das Gutachten bestätigt, dass alle Voraussetzungen gegeben sind, mit der Umstellung zu beginnen: Die Technologie ist vorhanden und die Potenziale Erneuerbarer Energiequellen und ihrer Speicherung sind bekannt. Auch die Notwendigkeit, die Kapazitäten für den Stromtransport stark zu erweitern sowie die Rollen dezentraler Stromerzeugung und der Energieeffizienz sind vollständig erkannt.Gemeinsame Interessen von Europa und Nordafrika
Europa und Nordafrika hätten gemeinsame Interessen, heißt es im Gutachten. Die Entwicklung stabiler Kooperationen für die großräumige Nutzung Erneuerbarer Energien könne die Abhängigkeit von Energieimporten verringern und wechselseitige Beziehungen zwischen Europa und seinen afrikanischen Nachbarn stärken.„Klimawandel erfordert ambitionierte Visionen und eine enge Zusammenarbeit auch über Grenzen und Barrieren hinweg, die wir vorher nicht gesehen haben“, sagt Antonella Battaglini vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Wenn wir die Kunst des Machbaren nicht ausschöpfen, werden wir die wichtigen politischen Entscheidungen dafür nicht unterstützen können, die eher heute als morgen getroffen werden müssen“, fügt Battaglini hinzu.