· Naturefund Baumbrief

Essbare Wälder auf über 4.000 m!

In Bolivien baut Naturefund an vier Standorten essbare Wälder mit der Methode dynamischer Agroforst auf. Auf 2.500 bis 4.000 ü NN pflanzen wir Bäume mit Kartoffeln und mehr. Mit Geduld und Erfolg - die Erträge steigen.

Karge Felder werden zum grünen Paradies

Liebe Leserin, lieber Leser, Alejandro lacht und zeigt stolz eine große Zwiebel die er soeben geerntet hat. Zu Recht, denn auf seiner 280m2 großen Parzelle nahe der Ortschaft Arani im Hochtal von Cochabamba, Bolivien auf 2.750 Meter über NN, kultiviert er erfolgreich mehr als 40 Pflanzenarten. Beim Anblick der trockenen und degradierten Felder um sein Grundstück herum fragt man sich, wie er das schafft. Verwendet er Dünger und chemische Pflanzenschutzmittel? Nein! Die Parzellen von Alejandro sind keine gewöhnlichen landwirtschaftlichen Produktionsflächen. Beim genaueren Betrachten der Parzelle fällt auf, dass sich hinter dem Mais eine Saubohne versteckt. Daneben wächst ein Pfirsichbaum. Alejandro ist Student der Fachrichtung Agroforst an der staatlichen Universität Mayor de San Simón und wendet auf seiner Parzelle die Methode des „dynamischen Agroforst“ an. In jeder Reihe kombiniert er Kulturpflanzen wie Mais, Weizen, Hafer etc. mit Fruchtbäumen und einheimischen Bäumen und Büschen. Grünschnitt und organisches Material der Pflanzen bleiben auf dem Acker, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. Die hohe Artendiversität wirkt dem Schädlingsdruck entgegen, sodass der Einsatz von Pflanzenschutzmittel nicht nötig ist.

Im Quechua Dorf Kaspicancha auf 4.00m ü NN

Gute 1.000 Meter höher in den bolivianischen Anden befinden sich die strohgedeckten Steinhütten des Quechua Dorfes Kaspicancha. Auch die hiesigen Kleinbauern, die seit Generationen auf knapp 4.000 Meter über NN von der Viehwirtschaft (Lama, Rinder, Schafe) und kleinen Kartoffeläckern leben, sind bereit ihre gewohnten Anbaumethoden zugunsten von Agroforst zu verändern. Im Gegensatz zu den Parzellen in Arani fällt hier die Artenvielfalt geringer aus. Dies liegt in erster Linie an dem viel kühleren Klima hier, sowie an den flachgründigen und steinigen Böden, welche es einigen Kulturpflanzen schwer macht, sich zu etablieren. Die vorherrschende Vegetation ist weitestgehend baumlos. Dass der kombinierte Anbau von Kulturpflanzen und Bäumen einen positiven Einfluss auf das Pflanzenwachstum haben kann, war den Kleinbauern hier bislang nicht bewusst. Umso erfreulicher ist es zu sehen wie positiv die „neue“ Methode angenommen und umgesetzt wird. Während des Rundgangs durch die Parzellen wird den Kurteilnehmern die Wirkungsweise von Agroforstsystemen anhand praktischer Beispiele erklärt. Der Grünschnitt in den Parzellen ist in Zukunft kein Tierfutter mehr, sondern dient als Mulch im Wurzelbereich der Obstbäumchen. Dieser Mulch schützt vor den extremen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, vor Wind- und Wassererosion und der Bodenaustrocknung im Wurzelbereich. Besonders auffällig ist, dass junge Obstbäume in unmittelbarer Nachbarschaft eines einheimischen Strauches viel besser gedeihen, als andere ohne solche natürlichen Begleitpflanzen. So unterstützt die eine Pflanzenart die andere, wobei ein resilientes, also gegen negative Einflüsse gewappnetes produktives System heranwächst.

Anpassung des Landbaus an den Klimawandel

Das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) geförderte Projekt „Verbesserung der Lebenssituation von Kleinbauern in semiariden Tälern von Cochabamba, Bolivien mit dynamischem Agroforst“ befindet sich bereits in seiner zweiten Durchführungsphase, nachdem die Erste sehr erfolgreich abgeschlossen worden war. Die NGO Naturefund in Wiesbaden zeichnet sich gegenüber dem BMZ verantwortlich für dieses Projekt. In Bolivien wird es von der NGO AGRECOL-Andes verwaltet und mit vier verschiedenen Akteuren in vier sehr unterschiedlichen Klimazonen durchgeführt. Unterziel des Projektes ist die Ernährungssicherung durch Anpassung des Landbaus an den Klimawandel. Zu den Projektaktivitäten gehören auch sehr praktisch konzipierte Kurse, in denen den Kleinbauern das Wissen und Können im Bereich dynamischer Agroforst übermittelt wird.
Diese Kurse finden sowohl Interesse bei Studenten wie Alejandro, welche bereits in der Theorie das Thema Agroforst behandeln und erste praktische Erfahrungen auf eigenen Parzellen machen, als auch bei den traditionell wirtschaftenden Kleinbauern in Kaspicancha.

Tiefwurzelnde Bäume sind wie Wasserpumpen

Die Bedürfnisse und Vorkenntnisse der Zielgruppen im Projekt sind dementsprechend sehr verschieden. Genauso individuell sind auch die Kurse gestaltet, allerdings folgen sie demselben Grundprinzip: beim Besuch der einzelnen Agroforstparzellen werden Fragen, Probleme und Ergebnisse vor Ort erörtert und die theoretischen Grundlagen eines Agroforstsystems erklärt. Genauso wichtig ist der Austausch zwischen den Kursteilnehmern. Während abschließender Reflexion und Diskussionen können die Kursteilnehmer ihre Erfahrungen teilen und sich gegenseitig Ratschläge für das weiteres Vorgehen geben. Das größte Problem für die Landwirtschaft ist in dieser Region der mangelnde Niederschlag. Bei einer durchschnittlichen Trockenperiode von neun Monaten im Jahr ist es besonders wichtig sparsam und bedacht mit der Ressource Wasser umzugehen. Agroforstsysteme weisen diesbezüglich gegenüber konventionellen Anbaumethoden einen erheblichen Vorteil auf. Denn tiefwurzelnde Baumarten wirken wie eine Wasserpumpe und transportieren Grundwasser, welches für Kulturpflanzen nicht zu erreichen ist, in die oberen Bodenschichten und versorgen somit umliegende Pflanzen mit Feuchtigkeit. Dies ist nur einer von zahlreichen Vorteilen, welche Agroforstsysteme leisten können.

Ein wenig Geduld und erste Erfolge

Eine ganz besondere Problematik ist die Skepsis der Kleinbauern gegenüber Agroforstsystemen. Zwar ist Agroforst keine neuartige Innovation, da bereits die Inka diese Landnutzungsmethode angewandt haben. Jedoch müssen die in der Regel sehr von der konventionellen Landwirtschaft beeinflussten Kleinbauern vom Nutzen von Agroforst überzeugt werden, da es einer Umstellung ihrer bisherigen Anbauweise bedarf. Zudem brauchte es ein wenig Geduld bis erste Erfolge zu verzeichnen sind. Die bisher erzielen Ergebnisse jedoch sind beeindruckend und zeigen, dass Agroforst eine geeignete Methode ist, um von Erosion und Degradation betroffene Böden aufzuwerten und auch unter Klimaveränderungen zu produktiven Standorten für die Landwirtschaft zu machen. Alejandro sollte es nicht schwer fallen seine Familie von Agroforst zu überzeugen. Er bringt seiner Mutter täglich frisches Gemüse zum Kochen mit nach Hause. Mitmachen und Baum pflanzen Wir wünschen Ihnen einen schönen Mai!

Herzlichst
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