· Naturefund-Baumbrief

Eine magische Reise voller Abenteuer

Wir hatten das Team von der Asociación Patuca gebeten, uns einmal mehr von ihrer Arbeit zu erzählen. Wie ist es, im Regenwald zu arbeiten? Was erleben Sie an einem ganz normalen Arbeitstag? Mit welchen Schwierigkeiten haben Sie zu kämpfen und was gibt es für schöne Momente?

Abenteuerlicher Bericht aus dem Regenwald

Liebe Patin, lieber Pate, Auf unsere Anfrage nach einem Text über den Alltag der Asociación Patuca ist  ein sehr netter Bericht von einem Mitarbeiter entstanden, den wir Ihnen anbei vorstellen.

Frühmorgens

Es dämmert und der Tag beginnt neblig und kalt. Ich würde gerne meine Beine strecken, doch ich liege beengt und unbequem. Zudem habe ich Angst, wenn ich jetzt meine so schön warmen Füße strecke, dass sie ihre Wärme verlieren. Ich atme tiefe ein und schöpfe Mut, meine Beine doch zu strecken. In dem Moment höre ich eine Stimme in der Dämmerung. Meine Nachbarin klagt über die barbarische Kälte. Eine andere antwortet ebenfalls stöhnend: "In anderen Teilen der Welt ist es so warm, dass die Menschen nachts ohne Decke und Pyjama schlafen. Und sie träumen dann davon, dass sie ein Klima haben, wie wir hier." In diesem Moment frage ich mich, warum Leute so etwas machen. Warum setzen sie sich diesen extremen Bedingungen aus, frieren in der Nacht, schwitzen am Tag und sind dazu noch von Ihrer Familie getrennt. Man merkt, dass diese Menschen es nicht gewohnt sind, in einer Hängematte zu schlafen und noch viel weniger in diesem Klima.

Es geht um Wasser, um Bäume und ...

Ein heiteres Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, als ich selbst versuche auf diese Frage eine Antwort zu finden. Ich denke mir, dass diese Menschen ihre Arbeit genießen. Sie genießen es, mit anderen zu reden und ihnen zu helfen. Sie genießen die Natur. Ich kann das in ihren Augen und ihren Gesten sehen, wenn der Tag zu Ende geht. Ich frage mich, ob sie nicht müde werden, immer dasselbe zu erzählen: "Pflanzt Bäume und geht vorsichtig mit dem wenigen Wald um, der Euch noch geblieben ist." Und dann sagen sich noch, dass die Kriege der Neuzeit ums Wasser gehen werden und um Bäume, usw., bla, bla, bla. Ich versuche noch ein wenig zu schlafen, und bevor ich dann tatsächlich wegdöse, denke ich noch: "Jetzt werden Sie vermutlich über diese einzigartige und wundervolle Natur reden, die unser Lager gerade umgibt." Ich verstehe zwar nicht alles, und doch würde ich gerne mehr verstehen. Das ist auch der Grund, warum ich immer, wenn ich kann, bei diesen Touren mitgehe.

Klares Licht und Rauch vom Feuer

Plötzlich ist auf der Wand vor meinen Augen ein sehr klares Licht zu sehen, begleitet von Rauch und dem Geruch von Holzfeuern. Meine Augen öffnen sich in dem Moment, wo ich Kaffee rieche, wirklich guten Kaffee. Ich sehe die Kollegen und Kolleginnen, wie sie nach und nach um mich herum aufstehen und merke, wie ich mich auf den neuen Arbeitstag freue und natürlich auf eine gute Tasse Kaffee. Dona Julia, die am Feuer steht, fragt uns, wie wir geschlafen haben, als wir ankommen. Fast alle antworten ihr mit einem breitem Lächeln: "Wunderbar, dank Gottes Gnade!" Sie freut sich über die Antwort und fragt Candy, die Forstingeneurin, ob alle neben dem Kaffee auch noch Bohnen mit Reis zum Frühstück wollen. Candy antwortet sofort mit "Ja!", wohlwissend, dass wir noch eine lange Reise und einen harten Tag Feldarbeit vor uns haben. Dona Julia wendet sich dann zu Chico um, einem Helfer bei der Feldarbeit, und bittet ihn, noch mehr Reis und Bohnen zu holen.

Auf dem Weg zu Tortillas

Don Chico deutet eine Kopfbewegung an, die "Ja" zu heißen scheint, wendet sich um und geht mit seiner Machete in der Hand zum Vorratslager. Ich würde ihn gerne begleiten, denn bestimmt findet sich dort auch noch etwas Maismehl und daraus könnten wir wunderbare Tortillas backen, um uns auf unserer Reise ab und zu auch den Bauch vollzuschlagen, hmmm. Ich folge meinem Impuls und begleite Don Chico. Auf dem Weg zum Vorratslager, frage ich ihn, was er denn von ein paar Tortillas halten würde. Daraufhin antwortet er mir langsam: "Ach Bruder, das wäre schon nett, doch ich weiß nicht, was die Ingenieurin Candy dazu sagen würde, wenn wir mit mehr ankommen würden, als sie bestellt hat." Ich antworte ihm: "Mach Dir keine Sorgen, ich werde der Ingenieurin schon sagen, dass ich es war, der das Maismehl haben wollte."

Riesenschlangen kreuzen den Weg

In diesem Moment macht Chico einen Sprung und ruft: "Vorsicht! Da ist eine große Schlange." Ich sehe das Tier und bin völlig außer mir. Die Schlange ist riesig. Ich schreie Don Chico an, dass er seine Machete benutzen und die Schlange  töten soll. Er zögert einen Moment und antwortet dann: "Bruder, diese kleine Schlange tut uns doch nicht weh. Sie sucht genauso wie wir etwas zu Essen. Wieso sollte ich sie töten? Zudem ist sie nicht giftig." Seine Antwort erstaunt mich und als wir den Weg weitergehen, bricht es aus mir heraus:  "Wenn meinem Vater oder meinem Onkel so ein Tier begegnen würde, würden sie es töten." Don Chico wendet sich wieder dem Weg zu, dreht mir dabei den Rücken zu und doch sehe ich, wie er grinst: "Deswegen haben sie dann später eine Ratenplage, weil es keinen mehr gibt, der die Raten auffrisst." Ein Krokodil am Flussufer Das Frühstück hat uns gut getan. Wir packen alles zusammen, beladen den Jeep und brechen zum nächsten Dorf auf. Wir fahren zum Teil direkt am Rio Patuca entlang und auf einmal entdecken wir ein Krokodil am Flussufer, das sich sonnt. Wir halten an und die Ingenieurin Lynne greift schnell nach ihrer Tasche, holt ihre Kamera heraus und schießt zahlreiche Fotos von dem Tier. Wieder bin ich etwas verwirrt, denn um die Wahrheit zu sagen, habe noch nie richtig verstanden, was Menschen an diesen häßlichen wie auch gefährlichen Tieren gefällt. Schlangen beißen und Krokodile fressen Kühe! Aber ich fahre ja auf dieser Reise mit, um mehr zu verstehen.

Überqueren von Stromschnellen

Wir kommen bei 'Sapote' an, einer der gefährlichsten Stromschnellen vom Rio Patuca, die besonders heikel jetzt nach der Regenzeit ist. Es hilft nichts, wir müssen hier den Rio Patuca überqueren, wenn wir das nächste Dorf erreichen wollen. Vorsichtig beginnt der Fahrer den Jeep in den Fluss zu lenken, immer suchend nach der besten Möglichkeit, um den größten Stromschnellen zu entgehen. Automatisch greife ich nach dem Handgriff, um den Jeep ebenfalls sicher durch die Stromschnellen zu führen. Auch wenn es nichts hilft, ich weiß. Die Stimmung im Wagen ist angespannt. Auf einmal schreit der Fahrer, dass wir uns alle auf dem Boden des Jeeps legen sollen, sofort, weil er nichts sehen kann. Die Strömung ist sehr stark, der Wagen zittert und schlingert. Hier unten können wir noch weniger sehen und auch kein Handgriff zum Mitlenken ist da. Nach einer Ewigkeit, wie es uns scheint, erreichen wir dann doch das andere Ufer.

Aufbau der nächsten Baumschule

Nach Stunden einer erlebnisreichen Fahrt kommen wir endlich bei der nächsten Gemeinde an. Wir laden aus. Einer der Forstgehilfen kommt auf mich zu und bittet mich, ihm die Geräte vom Jeep runterzuholen ebenso wie einen Sack voll kleiner, schwarzer Pflanztüten. Mitten beim Ausladen ertönt auf einmal von der Hügelkuppe ein Willkommensruf, und ich höre den Ton der Erleichterung über unsere Ankunft in der Stimme. Jeder von uns nimmt Geräte, Gepäck und Pflanztüten in die Hand, soviel wie wir tragen können. Wir steigen den Hügel hinauf zu dem Haus des Besitzers des Landes, auf dem die Baumschule errichtet werden soll.

Kahle Hügel ohne einen Baum

Beim Hinaufsteigen diskutieren die Forstleute schon miteinander, wo der beste Platz für die nächste Baumschule sein könnte. Eine von ihnen meint dazu, dass wir hier eine große Baumschule aufbauen müssen, denn in der Umgebung gibt es mittlerweile zahlreiche Hügel ohne einen einzigen Baum. Jemand anderes antwortet ihr, dass ihm auch die Kühe auf diesen kahlen Hügeln leid tun, denn sie haben keinen Schatten und kein Wasser. Beide grinsen sich bei dem letzten Kommentar an. Genau das passiert, wenn die Bäume gefällt werden: Zuerst keinen Schatten und dann auch kein Wasser mehr. In diesem Moment blicke ich mich zu ersten Mal um und sehe in der Ferne ein paar Kühe am Flussufer. Ich frage mich, ob sie Schatten suchen oder Wasser, oder vielleicht auch beides? Oben auf dem Hügel angekommen, empfängt uns der Besitzer freudestrahlend. Sofort zeigt er uns die Stelle, wo seiner Meinung nach die Baumschule hinkommen soll und fragt die Ingenieurin Candy nach ihrer Meinung dazu. Candy erklärt ihm, dass die wichtigsten Werkzeuge für den erfolgreichen Aufbau einer Baumschule vor allem Wasser wie auch die Bereitschaft ist, sich um die Baumschule zu kümmern.

Wassermangel nimmt zu

Der Mann zögert, dann antwortet er ihr mit leiser Stimme: "Schauen Sie, liebe Ingenieurin, das Problem ist das Wasser. Jetzt beginnt der Sommer und an einigen Tagen hat unser Brunnen mittlerweile kein Wasser mehr." Die Ingenieurin antwortet ihm energisch: "Ja, genau, Sie haben kein Wasser mehr und genau darum brauchen Sie die Bäume, vor allem bei den Quellen." Sie sagt dann leise wie zu sich selbst: "... darum brauchen wir alle die Bäume, damit es uns allen gut geht." Wir wählen eine passende Stelle aus, nahe des Brunnens und nicht zu weit weg vom Fluss, für den Fall, dass in den ersten Jahren das Wasser knapp wird. Schließlich beginnen wir die neue Baumschule abzumessen, Beete einzurichten, Sonnenschutz aufzubauen und die Pflanztüten zu füllen. Am Ende des Tages haben wir dann eine große Menge der schwarzen Pflanztüten mit Erde gefüllt und Samen gesetzt.

Ein Tag mit Gesprächen, Lachen und emsigen Arbeiten

So wie in jeder Gemeinde helfen uns die Menschen bei dieser Arbeit, sogar einige der Kinder aus der Schule kommen hinzu. Es wird dann immer ein Tag mit vielen Gesprächen, Lachen und emsigen Arbeiten. Als die Nacht hereinbricht, wir Tortillas gegessen haben, noch eine Weile am Feuer saßen und in die Glut schauten, sinke ich irgendwann todmüde auf meinen kleinen, engen Schlafplatz und versuche, es mir so gut es geht gemütlich einzurichten. Die Gedanken und all die Ereignisse auf dieser Reise strömen durch meinen Kopf. Ich höre dabei die Grillen zirpen. Mitten in der Nacht beginnt es dann zu regnen und die Grillen verstummen. Bei Sonnenaufgang regnet es immer noch und der Morgen ist erneut nass und kalt. Es ist kein angenehmes Reisewetter, doch wir können unsere Reise nicht unterbrechen, denn wir werden noch in einem anderen Dorf erwartet. Also schützen wir uns so gut es geht vor dem Regen und setzen unsere Reise am Fluss entlang fort, bis wir zu der Gemeinde 'Las Marias' kommen.

Regen und heißer Kaffee

Wir sind alle klatschnass, als wir ankommen. Aber die Leute erwarten uns bereits mit einem köstlichen, heißen Kaffee und ich bin wieder mit der Welt versöhnt. Während wir den heißen Kaffee noch trinken, beginnt eine meiner Kolleginnen damit, den Menschen, die mit uns in der Hütte sind, Schritt für Schritt zu erklären, wie ein Baum gesät wird: "… erst füllen wir die kleinen Pflanztüten, dann legen wir die Samen hinein, dann stellen wir sie auf und wässern sie usw." Auf dieser Reise ist das die letzte Gemeinde, die wir besuchen. Während der Rückreise besprechen die Ingenieurinnen Candy und Lynne die einzelnen Baumschulen in den verschiedenen Dörfern. Ich höre an ihren Stimmen die Begeisterung über die positive Resonanz der Menschen für unsere Arbeit. Ebenso nennen sie voller Anerkennung die gute Arbeit der Forstgehilfen beim Aufbau der Baumschulen. Lynne erzählt dann noch von ihrem persönlichem Abenteuer auf dieser Reise: Die Aufnahme des Krokodils am Flussufer. "Das werde ich meinem Vater zeigen, der nicht glaubt, dass solche Tiere hier leben." In diesem Moment weiß ich, das ich bei der nächsten Reise in den Regenwald Patuca wieder mit dabei sein werde. Herzliche Grüße
Ihr Naturefund-Team

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