Lange war man sich in der Wissenschaft einig, dass sich in den Regenwaldgebieten des Amazonas keine höher entwickelten Zivilisationen entwickeln können. Entstehungen großer Städte waren für die Wissenschaftler von damals undenkbar, da sie die Böden in den Urwäldern für zu unfruchtbar hielten, um die Nahrungsmittelversorgung für Hunderttausende Menschen zu gewährleisten. In den tropischen Urwäldern kommt überwiegend der Bodentyp „Ferrasol“ vor, ein Kunstwort, das sich aus Ferrum für Eisen, Alumen für Aluminium und Sol für Boden zusammensetzt. Durch große Hitze und Feuchtigkeit über Millionen von Jahren sind diese Böden so stark verwittert und versauert, dass kaum noch Nährstoffe für Pflanzen vorhanden sind. Die Aluminiumkonzentrationen in der Erde sind bereits so hoch, dass sie auf Nutzpflanzen toxisch wirken würden.
Dennoch findet man in diesen Gebieten keine karge Landschaft vor, sondern üppige Wälder mit einer enormen Diversität an Fauna und Flora. Das gesamte Potenzial dieser Wälder liegt in einer dünnen Humusschicht, die Nährstoffe freigibt und diese in einem engen Zusammenspiel mit den Pflanzen des Waldes im System hält. Dass dieser komplexe Kreislauf aus Nährstoffen und Wasser äußerst empfindlich ist, ist selbsterklärend. Wird der Urwald gerodet, baut sich der Humus in kürzester Zeit ab und die Nährstoffe werden mit dem Regen ausgespült.
In den 1960er Jahren entdeckten Forscher am Zusammenfluss von Amazonas, Rio Negro und Madeira Überreste großer vorkolumbianischer Zivilisationen. Das gab den Forschern ein Rätsel auf: Wie konnten sich große Kulturen an einem so unfruchtbaren Böden Nahrungsmittelsicherheit garantieren? Die Antwort darauf fand man Jahre später durch genauere Untersuchungen des Bodens: Man entdeckte die „Terra Preta do Indio“, das sind nährstoffreiche schwarze Oberböden, die seit über 2000 Jahre in den Gebieten vorkommen und auch bis zu ihrem Auffinden fruchtbar waren. Die bis zu zwei Meter dicken Schichten bestanden aus Überresten von Holzkohle, Tonscherben, Knochen, Spuren von menschlichen Fäkalien, Asche und Fischgräten. Aus diesem Mix organischer Reststoffe hatte sich über die Zeit die mächtige Humusschicht gebildet.
Nach der Entdeckung der Terra Preta war das Interesse groß: Zahlreiche Wissenschaftler versuchten durch Forschungen und Nachahmungsversuche das Geheimnis ihrer Entstehung zu lösen und publizierten daraufhin ihre Erkenntnisse in die ganze Welt.
Als einer der wichtigsten Inhaltsstoffe der Terra Preta gilt die Pflanzenkohle. Durch ihren hohen Gehalt an Kohlenstoff gilt sie als besonders beständig und gibt der Terra Preta ihre besonderen Eigenschaften. Doch Pflanzenkohle allein macht noch keinen fruchtbaren Boden. Um die Eigenschaften der Kohle voll zu entfalten, muss sie zuerst aufgeladen werden. Das heißt, sie muss in verschiedenen Schritten und Prozessen mit Nährstoffen und Mikroorganismen „gefüttert“ werden. Typische Verfahren sind hier die Kompostierung oder die Fermentierung.
Doch welche besonderen Eigenschaften besitzt nun die Pflanzenkohle und wie kann man sie gewinnen? Pflanzenkohle ist per Definition ein Produkt, welches durch pyrolytisches Verkohlungsverfahren aus rein pflanzlichen Ausgangsstoffen hergestellt wird. Sie zeichnet sich durch ihre ökologische und nachhaltige Produktion aus. Von Pyrolyse spricht man, wenn Biomasse unter starker Einschränkung von Sauerstoff verkohlt. Die langkettigen Moleküle der pflanzlichen Zellen brechen dabei auf, wobei leicht flüchtige Bestandteile der Biomasse ausgasen, Wärme entsteht und die kohlenstoffhaltige Grundstruktur der Biomasse zurückbleibt. Mineralstoffe der ursprünglichen Biomasse werden dabei in den Poren und an der Oberfläche der Pflanzenkohle gebunden.
Pflanzenkohle zeichnet sich durch seine höchst poröse Struktur aus. Dabei ergibt sich eine enorme spezifische Oberfläche von teilweise mehr als 300 m² pro Gramm. Durch diese Eigenschaft ist es der Pflanzenkohle möglich, bis zur fünffachen Menge ihres Eigengewichtes an Wasser und den darin gelösten Stoffen aufzunehmen. Man spricht hier von der Adsorptionsfähigkeit der Pflanzenkohle, die wiederum unterschiedlich hoch sein kann, je nachdem welche Temperatur sich beim Pyrolysevorgang einstellt und welche Ausgangsbiomasse gewählt wird. Prinzipiell ist die Adsorptionsfähigkeit der Kohle am besten, wenn sie mit einer Temperatur zwischen 450 und 700 °C produziert wird.
Eine weitere vorteilhafte Eigenschaft der Pflanzenkohle ist ihre gute Kationenaustauschkapazität (KAK), die ebenfalls auf ihre Porosität zurückzuführen ist. Die KAK ist ein Maß der Bodenkunde und beschreibt die Fähigkeit positiv geladene Ionen an der Oberfläche zu speichern und diese daraufhin für Pflanzen und Mikroorganismen wieder verfügbar zu machen. Ein hoher KAK Wert sorgt dafür, dass weniger mineralische, aber auch organische Nährstoffe aus dem Boden ausgewaschen werden und führt dadurch zu einer höheren Nährstoffverfügbarkeit im Boden.
Doch es gibt noch weitere positive Eigenschaften der Pflanzenkohle, die zu einer Verbesserung des Bodens führen: Mischt man das Erdreich mit Pflanzenkohle, können das Wasserspeichervermögen und die Bodendurchlüftung deutlich verbessert werden. Durch die bessere Durchlüftung des Bodens, kann es gleichzeitig zu einer besseren Aktivität von Stickstoffbakterien kommen, wodurch der Austritt von klimaschädlichen Methan- und Lachgasemissionen reduziert werden kann.
Wie bereits beschrieben, bietet die Pflanzenkohle durch ihre Struktur verschiedenen Bodenbakterien einen geschützten Lebensraum, wodurch auch die Nährstoffumsetzung für Pflanzen gefördert wird. Die hohe Adsorptionsfähigkeit führt ebenfalls zu einer Speicherung toxischer Bodenstoffe (z. B. Schwermetalle) auf der spezifischen Oberfläche der Kohle. Diese werden dann von den Pflanzen nicht mehr aufgenommen, schützten sie dadurch und das Grundwasser wird dabei ebenfalls vor Kontaminationen durch toxische Stoffe bewahrt.
Da Pflanzenkohle zum überwiegendem Teil aus reinem Kohlenstoff besteht, kann dieser von Mikroorganismen nicht oder nur sehr schwer abgebaut werden. Wenn Pflanzenkohle nun in den Boden eingearbeitet wird, bleibt ein Anteil von über 80 % des Kohlenstoffgehalts für mehr als 1000 Jahre stabil. In der im Amazonasgebiet entdeckten Terra Preta findet sich der Beweis für die lange Haltbarkeit des Kohlenstoffes, denn in ihr wurde auch noch nach über 2500 Jahren der Pflanzenkohleanteil im Boden nachgewiesen. Diese hohe Beständigkeit der Pflanzenkohle führt dazu, dass das von der Pflanze aufgenommen CO2 langfristig der Atmosphäre entzogen wird und dadurch imstande ist, den Klimawandel abzubremsen.
Ein weiteres Potenzial der Kohlenstoffsequestrierung befindet sich im Pyrolyseverfahren selbst: Biomasse verschwelt hierbei zu 40 % zu reiner Pflanzenkohle, das heißt, dass der Kohlenstoff der Biomasse nicht gänzlich in CO2 umgewandelt wird und in die Atmosphäre gelangt, sondern eben ein Großteil des Kohlenstoffs in der Pflanzenkohle gebunden bleibt. Auch das kann sich klimapositiv auswirken.
Wird die Pflanzenkohle in den Boden eingebracht, bleibt dieser über Jahrtausende stabil, zudem wird der Kohlenstoff der Pflanzenkohle und somit dem Kohlenstoffzyklus entzogen, da er weder durch Verbrennung noch durch Verrottung zu CO2 oder CH4 (Methan) umgewandelt wird.
Seit dem 7.1.2020 ist eine neue EU Verordnung in Kraft getreten. Die EG-Bio Verordnung wurde angepasst und Pflanzenkohle offiziell als Bodenverbesserer zugelassen. EBC-Pflanzenkohle (Premium-Qualität mit PAK < 4mg/kg) kann nun in allen EU-Ländern offiziell im Biolandbau eingesetzt werden. Die Zulassung für die konventionelle Landwirtschaft in Deutschland ist damit nur noch eine Formsache. Jedoch ist die Anwendung in der Tierfütterung weiterhin nicht gedeckt und die Behandlung von Gülle liegt im Graubereich.
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