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Katjas Reise-Blog: Wir säen Ideen …

Ja, wir säen Ideen und sie fallen auf fruchtbaren Boden. Gleichzeitig säen wir Ideen in einem Land, das sich gerade auf eine Diktatur zu bewegt.

Demokratien unter Druck

So wie momentan in vielen Demokratien in der Welt, auch in Europa, nutzen gewählte Vertreter ihre Macht, die demokratischen Grundpfeiler wie Pressefreiheit, unabhängige Justiz oder die Balance zwischen Exekutive und Legislative abzubauen. So macht es Evo Morales, der seit 12 Jahren regiert, davon die letzten Jahre im Grunde illegal. Die bolivianische Verfassung schreibt vor, dass ein Präsident oder eine Präsidentin nur zweimal gewählt werden darf.

Im Februar 2017 veranstaltete Evo ein Referendum, mit der Frage, ob er mehr als zweimal (sein Ziel 4x) gewählt werden kann. Die Bolivianer stimmten mit Nein. Evo erkannte das Referendum nicht an. Und der Staat wird weiter umgebaut. Evos Vertraute werden in entscheidende Positionen gesetzt, Kritiker mundtot gemacht oder mit Geld zum Schweigen gebracht. Wer Evo öffentlich kritisiert wird wahrscheinlich eingesperrt oder mit Bußgeld belegt oder verliert seine Berufslizenz.

Selbst für Naturefund besteht ein Risiko, wenn dieser Newsletter mit Kritik an Evo und der Regierung veröffentlicht wird, z. B. könnte meine Einreise beim nächsten Mal verhindert oder das Projekt sabotiert werden.

Neue Gefahr für Regenwälder

Noch ein paar traurige und auch verblüffende Details: Die bolivianische Regierung hat beschlossen, die Grenze des landwirtschaftlichen Anbaus auszuweiten und dafür den Regenwald abzuholzen. Im Jahr 2016/2017 hatte Bolivien die höchste Entwaldungsrate der Welt, vor Brasilien. Die Konsequenzen sind jetzt schon spürbar: Die Regenzeit im Tal von Cochabamba beginnt mit zwei Monaten Verspätung und es regnet nur nachts.

Warum? Die Hänge der Anden sind hier bereits abgeholzt und somit am Tag der vollen Sonne ausgesetzt. Die Erde heizt sich auf, 60 – 80 Grad und mehr, die Hitze steigt hoch und obwohl viele Regenwolken am Himmel sind, werden sie von der aufsteigenden Hitze vertrieben. Nachts kühlt sich der Boden ab und mit schöner Regelmäßigkeit beginnt es gegen Mitternacht zu regnen und zwar aus vollen Kannen.

Tja, und da die Bäume abgeholzt sind und mit ihren Wurzeln nicht mehr im humusreichen Boden das Wasser halten, kommt es regelmäßig zu Überschwemmungen. Mein Termin Morgen bei der Alcadesa von Vinto - etwa vergleichbar mit der Bürgermeisterin von Wiesbaden, wenn es eine gäbe - wäre beinahe abgesagt worden, weil die Stadt unter Wasser steht.

Dabei wollen wir Morgen den Vertrag unterzeichnen, dass das Munizip Vinto, zusammen mit der Gemeinde Combuyo und mit finanzieller Hilfe von Naturefund sowie der Unterstützung vom Bundesministerium für Entwicklung, den Hang oberhalb von Vinto wiederaufforstet. Der Hang ist riesig, fast ein ganzer Berg und es ist ein wenig vermessen, ihn aufforsten zu wollen, aber es ist ein Anfang.

Auswirkungen in Europa spürbar

Zurück zum Regenwald und Regen … die Folgen der Abholzung des Amazonasregenwaldes in Bolivien und Brasilien ist bis nach Portugal und Spanien spürbar. Die Wolken können nicht mehr genug Wasser auf den vielen abgeholzten und kahlen Flächen aufnehmen, bevor sie ihren Weg über den Ozean nach Europa antreten. Sie regnen ab, bevor sie die Küste Portugals und Spaniens erreichen. Die Folgen sind Dürre.

Mein Vorschlag und Wunsch: Jedes Jahr 500 Mrd. € um die verbliebenen Reste Regenwald zu schützen und die kahlen Flächen wiederaufzuforsten, z. B. mit dynamischen Agroforst ;-)! Kommt eh billiger und hilft, den Klimawandel abzubremsen. Zudem ist das, was die bolivianische Regierung macht, sehr unökonomisch. Momentan entstehen riesige Weiden, auf denen im Schnitt 1 Rind auf 5 Hektar kommt. Den Gewinn haben reiche Rancher und nicht arme Familien.

Lösungen sind auf dem Weg

Unser Projekt wirkt angesichts dessen ein wenig wie die Laus im Pelz von Goliath, und doch … es funktioniert, verblüffend gut. Ich habe Parzellen gesehen, die nach 17 Monaten auf karger roter Erde 30 cm einer dicken, satten Humusschicht entwickelt haben. Ich weiß, das glaubt mir keiner, ist aber so und er soll einfach kommen und unser Projekt besuchen. Die Pflanzen wachsen gut, die ersten Apfelbäume tragen nach zwei Jahren reichlich Äpfel.

Klingt auch unglaubwürdig, doch schauen Sie die Fotos an. Bei all dem ist es auch ein mühsamer Prozess, denn es geht hier um die Umstellung einer landwirtschaftlichen Praxis oder besser, einer landwirtschaftlichen Kultur. Die Umstellung einer kulturellen Gewohnheit dauern, meist Jahrzehnte. Dafür haben wir hier in Bolivien in drei Jahren schon einiges erreicht. Ich versuche mir das immer wieder bewusst zu machen und Geduld zu haben.

Achja, und noch etwas zur Demokratie. Aristoteles sagte einmal, die Demokratie sei zwar nicht die beste Regierungsform, aber die beste, die er kenne zur Zeit. Das war vor 2.500 Jahren. Ich glaube, es ist an der Zeit, die Demokratie weiter zu entwickeln, damit gewählte Vertreter des Volkes die demokratischen Institutionen nicht erodieren für ihre eigenen persönlichen Ziele der Selbstbereicherung. Dazu zählt für mich mehr Transparenz, mehr Bürgerbeteiligung, mehr Formen der Mitgestaltung. Soweit meine Wünsche aus Bolivien.

Herzliche Grüße und auf bald
Katja

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