Das Ökosystem verliert

Der Verlust der Biodiversität ist hauptsächlich dem Einsatz von Pestiziden zuzuschreiben. Fast ein Viertel der in der EU gefährdeten Arten sind durch Schadstoffe aus der Landwirtschaft- und Forstwirtschaft bedroht. 

Die Politik versagt

Die EU verlangt, dass für die Zulassung von Pestiziden die Wirkung der Mittel auf die Biodiversität berücksichtigt wird. In der Realität wird dies allerdings noch nicht umgesetzt, denn zurzeit wird bei der Prüfung von Pestiziden nur die toxische Auswirkung dieser betrachtet, nicht jedoch deren Auswirkungen auf die Natur. Ebenso wurden bisher keine wirksamen politischen Maßnahmen zur Reduktion des Pestizideinsatzes umgesetzt. 

Welche Ökosysteme werden durch Pestizide beeinflusst?

Durch den Einsatz von Pestiziden geraten vielfältige Ökosystemleistungen in Gefahr. Darunter fallen zum Beispiel die natürliche Bestäubung und Schädlingskontrolle, die Trinkwasserreinigung, der Nährstoffkreislauf und die Fruchtbarkeit des Bodens. Je vielfältiger ein Ökosystem ist, desto widerstandsfähiger ist es gegen klimatische Einflüsse. Durch den Einsatz von Pestiziden steht also die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gegen Klima- und Wetterextreme auf dem Spiel.

Zunahme der Schädlinge durch Pestizide

Trotz intensiver Forschung gibt es bis heute keine hochspezifischen, selektiven Pestizide. Im Idealfall sollten die Pestizide nur bestimmte Schädlinge oder Krankheitserreger töten und die anderen Organismen verschonen. Da dies aber nicht der Fall ist und da Nützlinge meist schwierigere Lebensraumansprüche und längere Generationszeiten haben als Schädlinge, führt die Ausbringung von Pestiziden schlussendlich zu einer Zunahme der Schädlinge und einer Abnahme der Nützlinge. Dies stellt ein Problem dar, da die Nützlinge mindestens 50 % der Schädlingskontrolle in Agroökosystemen ausmachen.59

Oftmals sind Insektizide also für die Nützlinge schädlicher, als für den Schädling selbst. Studien zeigen auf, dass nützliche Parasitoiden, welche Schädlinge befallen, über tausendmal empfindlicher sind als der Schädling selbst. 56 In Kanada wurde festgestellt, dass sich der Bestand von Forstschädlinge in einem mit Pestiziden behandelten Gebiet ausbreitete. Nachdem die Pestizidbehandlung stoppte, ging der Befall der Schädlinge, aufgrund der wieder erhöhten Anzahl natürlicher Fressfeinde, zurück. 57 Der Einsatz von Herbiziden kann zudem zu einer Zunahme anderer Pflanzenkrankheiten, wie beispielsweise Pilzbefall, führen. 58

Gefährdung landwirtschaftlicher Kulturen

Zusätzlich können auch landwirtschaftliche Kulturen von Pestizidabdriften betroffen sein. Dies passiert auch dann, wenn sie mehrere Kilometer in Windrichtung entfernt liegen. 62 Die Abdrift geschieht unabhängig von der Art der Anwendung der Pestizide, am stärksten ist sie jedoch bei der Ausbringung per Flugzeug. Hierbei erreichen nur 25 % der eingesetzten Pestizide den Schädling. Bei Sprühgeräten, die sich am Boden befinden, erreichen hingegen 65 % bis 90 % der Pestizide die Zielorganismen. 63

Zusätzlich zur Abdrift beim Versprühen der Pestizide gibt es auch Pestizide, die verdampfen und somit über weite Strecken auch auf Felder von Bio-Bauern oder konventionellen Landwirten gelangen, auch wenn diese selbst keine Pestizide ausbringen. 66 Es stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, pestizidintensive und ökologische Landwirtschaft nebeneinander zu betreiben, da durch das Nebeneinander auch in ökologisch produzierten Produkten Pestizide nachgewiesen werden können.

Dazu kommt, dass Pestizide ausgewaschen werden und somit auch im Grundwasser nachweisbar sind. Die drei häufigsten Pestizide, die im Grundwasser nachgewiesen werden können, sind Aldicarb, Alachlor und Atrazin. Schätzungen zufolge ist fast die Hälfte des Grund- und Brunnenwassers in den USA mit Pestiziden belastet. Gravierend ist dies in Bezug darauf, dass ungefähr die Hälfte der Menschen auf der Erde ihr Trinkwasser aus Grundwasserbrunnen beziehen.68

Weiterhin können Pestizide durch Bodenerosionen in Gewässer gelangen. Zur Folge hat dies, dass im Wasser lebende Amphibien beeinträchtigt werden. Auch Fische können durch die Pestizide im Wasser direkt getötet werden oder indirekt chronische Schäden davon tragen. Zudem leidet auch die Nahrungsgrundlage der Fische in Form von Amphibien, Insekten und Wasserpflanzen unter dem Einsatz von Pestiziden. Schätzungen zur Folge liegt das Ausmaß der Schäden an Fischbeständen durch Pestizide allein in den USA bei mindestens hundert Millionen Dollar pro Jahr. 69

Mehr zum Thema Ökosysteme

Studien

 
Autor D. Pimentel et al. (1993)   Zeitschrift Agriculture, Ecosystems & Environment

Environmental and economic effects of reducing pesticide use in agriculture

Pesticides cause serious damage to agricultural and natural ecosystems. Thus, there is a need to curtail pesticide use and reduce the environmental impacts of pesticides. This study confirms that it should be possible to reduce pesticide use in the US by 50% without any decrease in crop yields or change in 'cosmetic standards'. The estimated increase in food costs would be only 0.6%. This in- creased cost, however, does not take into account the environmental and public benefits of reducing pesticide use by 50%.

Autor
D. Pimentel et al.
Veröffentlicht
1993
Zeitschrift
Agriculture, Ecosystems & Environment
Seiten
273-288
Studie
http://bit.ly/2nKXzqL
Autor J. G. Zaller et al. (2005)   Zeitschrift Biological Agriculture and Horticulture

Cotton-Basil Intercropping: Effects on Pests, Yields and Economical Parameters in an Organic Field in Fayoum, Egypt

In many countries, cotton is traditionally intercropped with other plants in order to increase yields and to control pests. The effects of intercropping cotton and basil were tested during one field season on pest infestation, yields and economical parameters in the Governorate of Fayoum, Egypt. Basil, which is known for its repellent effect on various insect pests, was mixed with cotton in three different intercropping rates and two row distances using a substitutive design with four replicates.

Autor
J. G. Zaller et al.
Veröffentlicht
2005
Zeitschrift
Biological Agriculture and Horticulture
Seiten
59-72
Studie
http://bit.ly/2lCHx1u
Autor C. J. Barnes et al. (1987)   Zeitschrift Bulletin of Environmental Contamination and Toxicology

Exposure of Non-Applicator Personnel and Adjacent Areas to Aerially Applied Propanil

Rice production in Arkansas has shown a steady increase in acreage since the early 1970's with over 600,000 hectares planted in 1981. It is estimated that over 30% of the rice grown in Arkansas receives multiple applications of herbicides, many of which are aerially applied. Propanil (Stam) is extensively used for postemergence control of grasses, especially barnyardgrass and broadleaf weeds in rice. An associated problem with the use of propanil is the drift into susceptible crops and aerial applicators must exercise caution when applying this herbicide.

Autor
C. J. Barnes et al.
Veröffentlicht
1987
Zeitschrift
Bulletin of Environmental Contamination and Toxicology
Seiten
126-133
Studie
https://link.springer.com/article/10.1007/BF01691800
Autor D. Pimentel (1995)   Zeitschrift Journal of Agricultural and Environmental Ethics

Amounts of Pesticides Reaching Target Pests: Environmental Impacts and Ethics

Less than 0.1% of pesticides applied for pest control reach their target pests. Thus, more than 99.9% of pesticides used move into the environment where they adversely affect public health and beneficial biota, and contaminate soil, water, and the atmosphere of the ecosystem. Improved pesticide application technologies can improve pesticide use efficiency and protect public health and the environment.

Autor
D. Pimentel
Veröffentlicht
1995
Zeitschrift
Journal of Agricultural and Environmental Ethics
Seiten
17–29
Studie
https://link.springer.com/article/10.1007/BF02286399
Autor D. Pimentel (2005)   Zeitschrift Environment, Development and Sustainability

Environmental and Economic Costs of the Application of Pesticides Primarily in the United States

Included in this assessment of an estimated $10 billion in environmental and societal damages are analyses of: pesticide impacts on public health; livestock and livestock product losses; increased control expenses resulting from pesticide-related destruction of natural enemies and from the development of pesticide resistance in pests; crop pollination problems and honeybee losses; crop and crop product losses; bird, fish, and other wildlife losses; and governmental expenditures to reduce the environmental and social costs of the recommended application of pesticides.

Autor
D. Pimentel
Veröffentlicht
2005
Zeitschrift
Environment, Development and Sustainability
Seiten
229–252
Studie
https://link.springer.com/article/10.1007/s10668-005-7314-2
Autor M. A. Beketov et al. (2013)   Zeitschrift PNAS

Pesticides reduce regional biodiversity of stream invertebrates

The study analyzed the effects of pesticides on the regional taxa richness of stream invertebrates in Europe (Germany and France) and Australia (southern Victoria). Pesticides caused statistically significant effects on both the species and family richness in both regions, with losses in taxa up to 42% of the recorded taxonomic pools. Furthermore, the effects in Europe were detected at concentrations that current legislation considers environmentally protective.

Autor
M. A. Beketov et al.
Veröffentlicht
2013
Zeitschrift
PNAS
Seiten
11039–11043
Studie
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3704006/
Autor M. Krüger et al. (2013)   Zeitschrift Anaerobe

Glyphosate suppresses the antagonistic effect of Enterococcus spp. on Clostridium botulinum

During the last years, an increase of Clostridium botulinum associated diseases in cattle has been observed in Germany. A reduction of Lactic acid producing bacteria in the GIT microbiota by ingestion of strong biocides like glyphosate could be an explanation for the observed increase in levels of C. botulinum associated diseases. The paper reports on the toxicity of glyphosate to the most prevalent Enterococcus spp. in the GIT.

Autor
M. Krüger et al.
Veröffentlicht
2013
Zeitschrift
Anaerobe
Seiten
74-78
Studie
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1075996413000188
Autor S. Lorenzen (2013)   Zeitschrift Der kritische Agrarbericht

Nervengift für Rinder

Eine Krankheit sucht seit einigen Jahren beunruhigend viele Milchviehbetriebe schleichend heim: der chronische (= viszerale) Botulismus. Als wohl wichtigster Faktor wird die chronische Glyphosat-Vergiftung erkennbar. Für deren Krankheitssymptome wird der neue Begriff »Glyphosat-Vergiftungs-Syndrom« geprägt. Die landwirtschaftliche Massenanwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft ist politisch erlaubt. Das ist ein Verantwortungsfehler, mit dem die Mächtigen aus Wirtschaft und Politik gesundheitliche Schäden für Mensch und Tier billigend in Kauf nehmen zugunsten von wirtschaftlichen Agrargewinnen.

Autor
S. Lorenzen
Veröffentlicht
2013
Zeitschrift
Der kritische Agrarbericht
Seiten
226-230
Studie
http://bit.ly/2lDT80e

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Unser täglich Gift

Die aufgeführten Daten und Fakten stützen sich auf das Buch "Unser täglich Gift" von Johann G. Zaller, Ökologe an der Wiener Universität für Bodenkultur sowie Experte der Österreichischen Biodiversitätskommission.

"Unser täglich Gift"