Die Aufteilung des Landes zwischen Israelis und Palästinensern schafft Unrecht, aber für die Zerstörung der gemeinsamen Umwelt werden am Ende beide Völker büßen müssen. Israel kontrolliert die Wasserressourcen: Den Palästinensern bleibt der Zugang zum Jordanwasser verwehrt, Brunnen dürfen sie nur mit israelischer Erlaubnis bohren und nur bis zu einer Tiefe von 140 Metern.
Den israelischen Siedlern sind Bohrungen bis 800 Meter gestattet. Israel nimmt sich das Recht, 82 Prozent der Grundwasservorkommen unter dem israelischen Staatsgebiet und dem Westjordanland auszubeuten. Während die Israelis täglich pro Kopf 300 Liter verbrauchen, müssen die Palästinenser im Westjordanland mit 60 Litern auskommen. Diese Aufteilung des Wassers ist inzwischen einer der Hauptgründe dafür, dass sich die Palästinenser ungerecht behandelt fühlen.
Schon mittelfristig wird die rücksichtslose Grundwasserentnahme katastrophale Folgen haben. An der israelischen Küste und im Gazastreifen sinkt der Grundwasserspiegel jährlich um 15 Zentimeter, dadurch sickert immer wieder Meerwasser ein, was zur Versalzung von Anbauflächen führt.
Dabei ist das Grundwasser in diesen Gebieten bereits durch Düngemittel verseucht, etwa jeder fünfte Brunnen in Küstennähe müsste stillgelegt werden, weil das Wasser zu viel Salz und Nitrate enthält. Hinzu kommt die Verschmutzung durch die Einleitung von ungeklärten Abwässern und von Giftstoffen. Verursacher der Umweltverschmutzung sind Israelis wie Palästinenser, aber die fortdauernde Besatzung führt dazu, dass nichts dagegen unternommen wird.
Dass die israelischen Siedlungen keine Kläranlagen haben, hat für die palästinensischen Bauern schlimme Konsequenzen: Aus den Kanalisationsrohren von Siedlungen, die immer oben auf dem Berg liegen, fließen die ungeklärten Abwässer ins Tal hinunter und damit auf die Felder der Palästinenser.
Bei den Palästinensern fehlt es erst recht an Anlagen zur Müll- und Abwasserentsorgung. Ihre internationalen Partner finanzieren solche Infrastrukturanlagen nicht mehr, weil sie unter dem Besatzungsstatut nicht funktionieren, und die israelische Regierung verweigert die notwendigen Baugenehmigungen. Hinzu kommt, dass Mülltransporte an den Straßensperren aufgehalten werden und dass Arbeitskräfte sich nicht frei bewegen können. Doch mit ihrer Politik auf Kosten der Umwelt tragen die Israelis auch zur Verschmutzung ihres eigenen Trinkwassers bei.
Diese tragische Situation wird nicht einmal von umweltbewussten Israelis zur Kenntnis genommen – für die Umwelt der anderen interessiert man sich nicht. So protestiert fast niemand gegen die Umweltfolgen der Sperranlage, die seit 2002 auf Beschluss der Regierung entlang der Grenze wie innerhalb der Palästinensergebiete errichtet wird.
Die verheerenden Folgen für die Landschaft wie für Fauna und Flora sind längst bekannt. So wurden im Zuge der Bauarbeiten bislang mehr als 100.000 Olivenbäume gefällt. Für die israelische Öffentlichkeit ist das kein Thema. Nur die Mitglieder der Friedensbewegung unterwerfen sich nicht den Denkverboten, die von der Überzeugung herrühren, dass der »Sicherheitswall« für den Schutz der israelischen Bevölkerung notwendig ist. Hier wie in anderen Fragen blockiert der Sicherheitswahn alle rationalen Erwägungen.
Vor kurzem ist es allerdings zu einem erstaunlichen Bündnis gekommen: Siedler und Abgeordnete der Linken forderten, in der Wüste von Judäa dürfe die Sperranlage nicht gebaut werden – und zwar aus ökologischen Gründen. Im Januar 2007 schloss sich der damalige Verteidigungsminister Amir Peretz dieser Argumentation an und verfügte einen Baustopp. Dieser zwiespältige Erfolg war aber nur möglich, weil diese Region in der Bibel zwar eine große, für die Sicherheitspolitik aber nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Für die Umwelt der Palästinenser engagiert sich dagegen niemand. Umweltzerstörung dient vielmehr zuweilen als ein Mittel, um die Bevölkerung zu vertreiben. Das Dorf Wadi Fukin liegt in einem malerischen Flusstal westlich von Betlehem, zwischen der »Green Line« (der Waffenstillstandslinie von 1949, die bis zum Sechstagekrieg von 1967 Israels Staatsgrenze war) und der israelischen Siedlung Betar Illit.
Hier betreiben die Israelis eine regelrechte Kahlschlagpolitik: Die einst grünen Hänge werden mit immer neuen Siedlungen bebaut, und die Errichtung des Sperrwalls führt dazu, dass die Böden erst recht veröden und kein Ackerbau mehr möglich sein wird. Offenbar wird hier alles getan, um die palästinensischen Bauern zum Aufgeben und zum Wegziehen zu bringen.
Nach Flucht und Vertreibung der Palästinenser und der Staatsgründung 1948 hat Israel Hunderten von arabischen Orten neue hebräische Namen gegeben. Viele der einstigen palästinensischen Dörfer wurden außerdem in Landschaftsschutzgebiete inkorporiert – auch eine Methode, sich die Umwelt eines anderen Volkes anzueignen. Dieser Prozess setzt sich heute weiter fort, indem zerstört wird, was die Identität der Palästinenser seit jeher bestimmt hat: die Landschaft, die Felder und die Olivenhaine.
Raphaël Kempf ist Forscher am arabischen Zentrum für angewandte Sozialstudien, Mada Al-Carmel, Haifa.
Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.
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