Versteppung, Anstieg des Meeresspiegels, Eisschmelze und Erdrutsche – durch den Klimawandel werden viele bewohnte Gegenden unbewohnbar. Vielen Menschen bleibt keine Wahl: Ob sie in den großen Flussdeltas des Nil, des Mekong, des Ganges oder des Brahmaputra leben oder in den Küstengebieten im Süden der Vereinigten Staaten, auf Inselgruppen wie den Atollen im Pazifischen oder Indischen Ozean oder an den Rändern der Wüsten, etwa im Umkreis des Tschadsees oder in der Peripherie von Peking – sie werden ihren Lebensraum verlassen müssen.
In der Studie »Ein Klima des Konflikts« warnt die britische Umweltorganisation International Alert, dass der Klimawandel in 46 Ländern mit 2,7 Milliarden Einwohnern zu wirtschaftlichen, sozialen und politischen Problemen führen und dort ein »hohes Risiko bewaffneter Konflikte« mit sich bringen wird.
Zwei Beispiele: In Indien ist durch den Rückgang des Ganges-Pegels die Trinkwasserversorgung von 400 Millionen Menschen gefährdet.
In Peru sind die Andengletscher in den vergangenen dreißig Jahren bereits um ein Viertel abgeschmolzen. Bis 2050 könnten die meisten Gletscher Perus verschwunden sein und mit ihnen die wichtigste Wasserquelle des Landes. Das wird vor allem die unteren Schichten der Bevölkerung treffen und die sozialen Spannungen in der jungen Demokratie verschärfen.
In einigen besonders betroffenen Regionen hat die Migration bereits begonnen. Laut Norman Myers, Umweltaktivist und Professor an der Universität Oxford, könnte es bis 2010 weltweit 50, bis 2050 sogar 200 Millionen Klimaflüchtlinge geben. Diese Bevölkerungsbewegungen sind eine der großen Herausforderungen in der Zukunft.
Allein aus Bangladesch, einem Land, das durch den Anstieg des Meeresspiegels, das Abschmelzen der Himalajagletscher, Trockenheit, Schwankungen des Monsuns und immer intensiver werdende Wirbelstürme geschwächt ist, könnten Millionen Menschen fliehen. Und wohin sollen diese Migranten gehen?
Die beiden Nachbarstaaten Indien und Birma werden die Aufnahme von Flüchtlingen aus Bangladesch schon aus historischen Gründen ablehnen, außerdem drohen ihnen ähnliche Umweltprobleme. In Bangladesch weiß man jedenfalls, dass man sich auf die bevorstehenden Bevölkerungsbewegungen einstellen muss, denn anders lassen sich eine humanitäre Katastrophe und schwerwiegende Grenzkonflikte wohl kaum vermeiden.
Aber das Problem beschränkt sich nicht allein auf den Friedenserhalt. Neben der Biodiversität, der Artenvielfalt, ist auch die »Ethnodiversität« der Erde bedroht. Zahlreiche alteingesessene Gemeinschaften und Völker – Kulturen, die tief in ihrer Umwelt verankert sind – sind vom Aussterben bedroht. Ob sie sich dessen bewusst sind (wie die Inuit aus Shishmaref in Alaska oder die Polynesier aus dem Staat Tuvalu) oder nicht – wenn sie aus ihrem angestammten Lebensraum herausgerissen werden, führt das zur Auflösung ihrer Gemeinschaft und zum raschen Zerfall ihrer Identität.
Jenseits des unwiederbringlichen Verlusts, den das Ende einzigartiger Kulturgemeinschaften bedeutet, ist das auch eine Frage der Gerechtigkeit. Denn es ist der grob fahrlässige Umgang mit den Treibhausemissionen und eben keine Naturkatastrophe, was zum Aussterben von Völkern führt, die ihrerseits nur kaum oder gar nicht zur Erderwärmung beigetragen haben.
Sei es im Namen der Menschenrechte oder des Friedens – Staaten und Unternehmen müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Weltgemeinschaft muss sich auf die absehbaren Flüchtlingsbewegungen einstellen und auch finanziell dafür vorsorgen. Der auf der Klimakonferenz in Bali Ende 2007 beschlossene Fonds für Klimafolgen wie Dürren und Überschwemmungen ist ein erster Schritt. Er umfasst zurzeit aber lediglich 30 Millionen Dollar, und ob er tatsächlich bis 2030 jährlich um 1 bis 5 Milliarden Dollar wächst, bleibt abzuwarten.
Konsequenter wäre es, Klimaflüchtlingen einen Anspruch auf Hilfe zuzuerkennen. Schließlich gibt es die Genfer Konvention von 1951, die den rechtlichen Status von Flüchtlingen international verbindlich definiert. Sie bräuchte nur um den Begriff des Klimaflüchtlings erweitert werden. Dann könnten auch die Vereinten Nationen aktiv werden, um die Flüchtlingsströme zu lenken. Davon allerdings sind wir noch weit entfernt.
Donatien Garnier ist Journalist im Collectif Argos (www.collectifargos.com).
Ergebnisse des Klimagipfels auf Bali
Weltklimarat, der Bericht »Impacts, Adaptation and Vulnerability«
Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.
© 2007
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