Dongtan, die chinesische Ökostadt der Zukunft

China muss in den nächsten fünfzehn Jahren 400 neue Städte bauen, um Millionen von Binnenmigranten aufzunehmen. Weil die chinesische Regierung schon heute mit dramatischen Umweltschäden zu kämpfen hat, soll jetzt in der Nähe von Shanghai eine CO2 freie Ökostadt entstehen.

Neue Leitmotive

Dramatische Luft- und Wasserverschmutzung, kontaminierte Lebensmittel, Energieengpässe, die ganze Regionen lahmlegen: China hat inzwischen mit den Konsequenzen seines rasanten Wirtschaftswachstums zu kämpfen. Leitmotivisch tauchen in den Reden der chinesischen Machthaber daher neuerdings »ein anderes Entwicklungsmodell« und »die umweltfreundliche Gesellschaft« auf.

Erste Ökostadt der Welt auf der Insel Chongming

Ein Symbol für diesen Bewusstseinswandel ist ein ehrgeiziges Projekt der Stadtregierung von Shanghai. Sie will die erste Ökostadt der Welt errichten. Dongtan, wörtlich übersetzt »Oststrand«, soll auf der Jangtse-Insel Chongming nördlich von Shanghai gebaut werden. Die Flussmündung ist besonders verschmutzt, die Umweltprobleme liegen also direkt vor der Haustür.

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ÖkoStadt im Land der Umweltsünden
Foto: © Le Monde diplomatique

Chongming – bedeutendes Naturschutzgebiet

Chongming, mit 1200 Quadratkilometern eine der größten Inseln Chinas, hat seine Fläche in den letzten fünfzig Jahren verdoppelt. Das neue Land hat der Jangtse angeschwemmt, weil die Böden entlang des Flusslaufs durch Erosion abgetragen wurden – eine Folge der Abholzung von Wäldern. Unter Umweltaktivisten ist Chongming vor allem für sein bedeutendes Naturschutzgebiet bekannt, in dem seltene Zugvögel rasten.

Dongtan
Foto: © Le Monde diplomatique

86 Quadratkilometer große Ökostadt

Die künftige Ökostadt existiert bisher freilich nur auf dem Papier. Sie soll 86 Quadratkilometer umfassen, das entspräche drei Viertel der Fläche von Manhattan. Um jede Beeinträchtigung des Naturschutzgebiets auszuschließen, will die Regierung von Shanghai zwischen Stadt und Reservat einen mindestens vier Kilometer breiten, unbebauten Landstreifen erhalten. Im Jahr 2010 sollen 50.000 Menschen in Dongtan wohnen, im Jahre 2040 könnten es 500.000 sein.

Das Projekt orientiert sich vor allem am Vorbild von Beddington Zero Energy Development (BedZED), einem unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten erbauten Stadtviertel im Südosten Londons, und wurde daher dem Londoner Ingenieurbüro Arup anvertraut. Arup hat unter anderem das Opernhaus von Sydney und die Millennium Bridge in London geplant.

Maßnahmen zur Zielerreichung

Das Ziel der Planer ist, dass die Bewohner Dongtans mit zwei Drittel der gewöhnlich verbrauchten Energie auskommen. Treibhausemissionen sollen so weit wie möglich vermieden werden. Die dezentrale Energiegewinnung wird zum Teil durch Windräder und Sonnenkollektoren auf den Dächern gewährleistet.

Die Biomasse aus den Abfällen der örtlichen Reismühlen und des organischen Stadtmülls soll Biogas liefern. Auf den Dächern der maximal acht Stockwerke hohen Häuser sichern kleine Windräder die direkte Stromversorgung der Bewohner. Durch die Verwendung lokaler Baustoffe, gute Isolierung, natürliche Belüftung und die Ausrichtung der Fassaden nach Süden sind die Gebäude CO2-neutral und sparen gegenüber herkömmlichen Häusern 70 Prozent Energie.

Das Regenwasser wird aufgefangen und zur Bewässerung der Felder genutzt, ebenso wie das aufbereitete Abwasser. Organische Abfälle kommen auch als Dünger zum Einsatz.

Eigenversorgung und Infrastruktureinrichtungen

Dongtan soll sich also nicht nur mit Energie, sondern auch mit Nahrungsmitteln aus der Inselwirtschaft selbst versorgen. Obwohl gerade eine Brücke nach Shanghai gebaut wird, sollen auf der Insel Schulen, Krankenhäuser und andere Infrastruktureinrichtungen entstehen, damit der Verkehr nicht zunimmt.

Der angestrebte ökologische Fußabdruck Dongtans
Foto: © Le Monde diplomatique

Schwerpunkt nichtmotorisierte Fortbewegung

Der Stadtplan ist auf Fußwege und vor allem auf nichtmotorisierte Fortbewegung ausgerichtet. Geschäfte und Büros werden in der Nähe der Wohnhäuser liegen. Den Fußgängern stehen breite Bürgersteige zur Verfügung, den Radfahrern zahlreiche Radwege. Jeder Einwohner soll in höchstens sieben Minuten eine Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs erreichen können.

Benzinbetriebene Fahrzeuge werden außerhalb der Stadt geparkt. Was das Projektbüro für die Innenstadt plant, klingt fast wie Sciencefiction: Solarboote gleiten über Kanäle, auf den Straßen fahren Wasserstoffbusse und kleine Elektrofahrzeuge, die in Fahrgemeinschaften genutzt werden.

Fast alle Städte mit extremer Luftverschmutzung liegen in Asien
Foto: © Le Monde diplomatique

Hightech-Firmen und Investoren für Freizeitbereich

In Dongtan sollen sich auch Hightech-Firmen ansiedeln, vor allem aus der Lebens- und Arzneimittelforschung. Zugleich will die Stadt Investoren für den Freizeitbereich anlocken: Der Fischereihafen soll durch einen Jachthafen ersetzt werden, ein riesiges Reitzentrum und ein Golfplatz sind geplant, und das Vogelschutzgebiet soll als »ökologischer Naherholungsraum« dienen.

Das sind ehrgeizige Pläne, und es bleibt abzuwarten, was davon tatsächlich umgesetzt wird. Einerseits hat die chinesische Regierung die politische Macht, derartige Mammutprojekte zügig durchzusetzen. Das hat sie im Wohnungsbau, mit Staudämmen und bei den Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen in Peking zur Genüge bewiesen. Andererseits bleibt es in China häufig beim schönen Schein. So zählen die Umweltschutzgesetze der Volksrepublik zu den strengsten der Welt, der politische Wille zu ihrer Durchsetzung hält sich dagegen in Grenzen.

Bemühte Städte
Foto: © Le Monde diplomatique

Modellvorstellung auf der Weltausstellung 2010

Ob sich Dongtan tatsächlich eines Tages rühmen kann, die Stadt der Zukunft zu sein, wird sich ab 2010 zeigen. Dann findet in Shanghai die Weltausstellung statt, bei der die ersten drei Modelldörfer dieser Ökostadt vorgestellt werden.

Autorin: Nadège Figarol

Nadège Figarol ist Journalistin.

Mehr Informationen zu dem Thema:

Frontiers in Ecology and the Environment, Sonderausgabe zu China

Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.

© 2007

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