Der Nahe Osten- viel Öl und wenig Wasser!

Trotz aller politischen und militärischen Turbulenzen bleibt der Nahe Osten mit seinem enormen Ölreichtum eine Schlüsselregion für die Weltenergieversorgung. Das große Problem, auf das die Region unweigerlich zusteuert, ist jedoch die Wasserfrage. Wenn die vorhandenen Ressourcen nicht mehr ausreichen, um die Bedürfnisse der Menschen zu decken, drohen erbitterte Verteilungskonflikte.

Immense Öl- und Gasvorkommen

Auf der Welt-Energiekarte ist der Nahe Osten nach wie vor eine ganz entscheidende Region. Denn seine Öl- und Erdgasvorkommen sind immens und vor allem leicht zu erschließen – jedenfalls bis vor kurzem. Aufgrund der aktuellen Fördermengen und der riesigen Reserven sind die Monarchien der Golfregion, der Irak und der Iran heute die wichtigsten Akteure auf dem Rohölmarkt.

Saudi-Arabien allein wird ein Viertel der gesicherten Vorkommen dieser Erde (263 Milliarden Barrel) zugeschrieben, an zweiter Stelle liegt der Irak (113 Milliarden), es folgen die Vereinigten Arabischen Emirate (98 Milliarden), Kuwait (97 Milliarden) und der Iran (93 Milliarden). Insgesamt lagern fast zwei Drittel der bekannten Ölreserven im Boden dieser fünf Länder.

Die Tankstelle der Welt
Foto: © Le Monde diplomatique

Geringere Ölförderung im Irak

Für die nähere Zukunft gibt es in der Rechnung allerdings eine unbekannte Größe. Kein Mensch weiß, ob der Irak wieder seine alte Rolle für die globale Ölversorgung spielen wird. Seit dem Sturz des Saddam-Regimes im April 2003 ist die Förderung sehr unregelmäßig und erreicht im Durchschnitt lediglich 1,8 Millionen Barrel pro Tag.

Diese Fördermenge liegt weit unter den von der neuen irakischen Regierung angestrebten 4 bis sogar 6 Millionen Barrel pro Tag. Die Aufständischen verüben immer wieder Anschläge und Sabotageakte gegen die Pipelines. Angesichts derart chaotischer Zustände zeigen die internationalen Ölkonzerne keine große Bereitschaft, ihr Geld im Irak zu investieren.

Katar – drittgrößter Erdgaslieferant

Im Bereich der Erdgasförderung sind im Nahen Osten zahlreiche neue Projekte geplant oder im Bau. Die Anrainerstaaten des Persischen bzw. Arabischen Golfs verfügen über 40 Prozent der nachgewiesenen Welterdgasreserven und haben die Produktion in den letzten Jahren zügig hochgefahren. Das gilt insbesondere für Katar, das inzwischen der drittgrößte Erdgaslieferant nach Russland und dem Iran ist.

Pipelines und Militärbasen
Foto: © Le Monde diplomatique

Steigender Wasserverbrauch

Der entscheidende Entwicklungsfaktor für alle diese Länder bleibt jedoch das Wasser. Obwohl mehrere Flüsse den Nahen Osten durchfließen, ist die Region semiarid bzw. arid, also eine mehr oder minder wüstenhafte Zone. Während die Wasservorräte dauerhaft begrenzt sind, steigt der Verbrauch seit zwanzig Jahren sehr stark an.

Das liegt einerseits an der Verstädterung – 1970 hatte die Region zwei Millionenstädte, 2002 waren es bereits fünfzehn –, andererseits an der Zunahme der bewässerten Flächen, die mehr als drei Viertel des Wasserverbrauchs beanspruchen.

Großer Durst in einer trockenen Region
Foto: © Le Monde diplomatique

Meerwasserentsalzung zur Trinkwassergewinnung

In mehreren Ländern der Region herrscht bereits Wassermangel, wenn man einen Wasserverbrauch von 1.000 Kubikmetern pro Kopf und Jahr als Minimum ansetzt. In einigen Ländern stehen nicht einmal 500 Kubikmeter pro Kopf und Jahr zur Verfügung. Die Golfstaaten konnten jedoch mithilfe ihrer Petrodollar-Einnahmen auf das teure Verfahren der Meerwasserentsalzung zurückgreifen. Damit gewinnen sie große Mengen an Trinkwasser, die zum Beispiel in Kuwait den Bedarf fast zu 100 Prozent decken.

Hohe Wasserdefizite

In anderen Ländern nehmen die Spannungen im Hinblick auf das kostbare Nass deutlich zu. Das gilt etwa für Israel, Palästina und Jordanien, die um das Jordanwasser und dieselben unterirdischen Wasservorkommen konkurrieren. Jordanien und Israel haben zusammen ein Wasserdefizit von fast 300 Millionen Kubikmetern pro Jahr.

Im Gaza-Streifen liegt das Defizit bei 80 Millionen Kubikmetern, was unter anderem auf die Überbevölkerung und bis August 2005 auch auf den Grundwasserverbrauch der jüdischen Siedler zurückzuführen ist. Vor ihrem Abzug aus dem Gaza-Streifen zapften die Israelis im Grenzgebiet mit einer Reihe von Bohrungen die unterirdischen Wasseradern an, die vom Westjordanland her kommen und das Grundwasser des Küstenstreifens auffüllen.

Pläne zur Nutzung der Wasserressourcen

Um ihren Bedarf zu decken, verfolgen einige Länder ehrgeizige Pläne zur Nutzung ihrer Wasserressourcen. Ägypten hat westlich des Nils das Projekt namens »Neues Tal« in Angriff genommen, mit dem die Anbaufläche von gegenwärtig 6 Prozent der Gesamtfläche des Landes auf 25 Prozent erhöht werden soll.

In Jordanien setzt die Regierung auf zwei strategische Infrastrukturprojekte, um den Wassermangel zu überwinden. Das eine ist der Wehda-Staudamm (»Staudamm der Einheit«) am Grenzfluss Yarmuk, der in Kooperation mit Syrien gebaut wird und fast fertig ist. Wichtiger noch ist die Erschließung des unterirdischen Disi-Wasserreservoirs an der Grenze zu Saudi-Arabien.

Südostanatolien-Projekt – Bau von 22 Staudämmen

Das ehrgeizigste Vorhaben im gesamten Vorderen Orient ist jedoch das Südostanatolien-Projekt (Güneydogu Anadolu Projesi, Great Anatolian Project, GAP) im Südosten der Türkei. Mit seinen insgesamt 22 Staudämmen soll es für die Bewässerung von 1,7 Millionen Hektar Ackerfläche sorgen und außerdem Elektrizität liefern.

Die Mitte der 1980er-Jahre begonnenen Bauprojekte sollen in knapp 30 Jahren abgeschlossen sein und mindestens 30 Milliarden Dollar kosten. Die Infrastruktur für das Gesamtprojekt ist bereits zu mehr als der Hälfte fertiggestellt und hat wegen der Wasserregulierungen bereits zu heftigen Spannungen mit Syrien geführt.

Autor: Christian Chesnot

Christian Chesnot ist Journalist bei France-Inter und Koautor (zs. Mit Georges Malbrunot) von „Mémoires dotages. Notre contre-enquête“, Paris (Calmann-Lévy) 2005.

Mehr Informationen zum Thema:

Friends of the Earth Middle East

The Palestininan Environmental NGOs Network

Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.

© 2006

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