Zwei einschneidende Ereignisse kennzeichneten Mexiko am Ende des 20. Jahrhunderts: die Entstehung der Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee (EZLN) 1994 und das Ende der 71-jährigen Alleinherrschaft der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) durch die Wahlen im Juli 2000.
Nach dieser historischen Niederlage konnten erstmals düstere Kapitel der jüngeren Geschichte zur Sprache kommen: das Massaker von 1968 an demonstrierenden Studenten in Mexiko-Stadt, das Verschwinden von mehr als 500 Regimegegnern zwischen 1970 und 1990 sowie die Tatsache, dass die politische Klasse darüber nie Rechenschaft ablegen musste.
Nach den Präsidentschaftswahlen vom 3. Juli 2000 erklärte der Wahlsieger Vicente Fox, er habe die Demokratie nach Mexiko gebracht. Er versprach, durch liberale Reformen »das Land aus der Unterentwicklung herauszuführen und Millionen von Armen eine Chance zu geben«, gleichwohl werde seine Regierung eine »Regierung von Unternehmern für Unternehmer« sein. Eine seiner ersten Amtshandlungen war, die Landvergabe an die Bauern zu stoppen.
Zentrale Bestandteile seines politischen Programms waren die Privatisierung der Staatsunternehmen (vor allem der Elektrizitätswerke und der Erdölgesellschaft Pemex) und das Großprojekt »Plan Puebla-Panama« (PPP), das Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar und gewaltige Veränderungen im Südwesten Mexikos und in ganz Mittelamerika vorsieht.
Dieser Plan, dem alle mittelamerikanischen Staaten von Mexiko bis Panama zugestimmt haben, soll mit Hilfe der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) die Lösung zur Überwindung der Armut bieten. Neben dem Bau von Autobahnen und der Erschließung von Erdöl- und Wasserressourcen sollen Firmen gefördert werden, die auf die Produktion genetisch veränderter Organismen (GVO) spezialisiert sind.
Laut Vorstellung der Weltbank ist die Provinz Chiapas »ein besonders interessantes Gebiet für biotechnologische Versuche und die Nutzung der Artenvielfalt«.
Im Zentrum des Interesses liegt das teils von den Zapatisten kontrollierte Regenwaldgebiet entlang des Lacantun-Flusses. Diese Region verfügt über 25 Prozent des mexikanischen Oberflächenwassers, reiche Erdölvorkommen und mehr als 50 Prozent der Tropenhölzer des Landes.
Doch die Großprojekte sind durch die Forderungen der Indiovölker (10 Millionen Menschen) nach Autonomie und kultureller Entfaltung gefährdet. Trotz der Forderungen der Zapatisten und deren »Marsch auf Mexiko-Stadt« billigt das neue Indianer-Gesetz vom 28. April 2001 den Indigenen keine Rechte an ihrem Land und den natürlichen Ressourcen zu.
Mexiko versucht, vielfältige Beziehungen zu knüpfen, um nicht vollständig vom Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Nafta) abhängig zu sein, innerhalb dessen Geltungsbereich 2004 bereits 73 Prozent seines Außenhandels abgewickelt wurden. 55 Prozent der mexikanischen Importe und 87 Prozent der Exporte entfielen 2004 allein auf die USA.
Um seinen Außenhandel zu diversifizieren, schloss das Land Freihandelsabkommen auch mit der Europäischen Union, Japan und den Ländern Lateinamerikas. Doch trotz des Ausbaus der Handelsbeziehungen konnte die soziale Ungleichheit nicht gemildert werden.
Die ökonomische Integration auf Nafta-Ebene zeigt sich am klarsten in den rund 3000 maquiladoras. Das sind Betriebe der weiterverarbeitenden Industrie, die hauptsächlich von US-Firmen im Norden Mexikos gegründet wurden. Hier sind viele neue Arbeitsplätze entstanden, doch die Beschäftigten haben praktisch keine Arbeitnehmerrechte. Die maquiladoras sind als Zulieferer innerhalb ihrer Mutterkonzerne völlig von der Konjunktur in den USA abhängig.
Mexiko ist ohnehin ein Land mit extremer sozialer Ungleichheit, doch das geographische Wohlstandsgefälle zwischen dem armen Süden und dem relativ wohlhabenden Norden nimmt noch ständig zu. Mehr als ein Viertel der 105 Millionen Mexikaner leben von weniger als einem Dollar pro Tag, über 50 Prozent verdienen ihren Lebensunterhalt in der Schattenwirtschaft. Die regelmäßigen Überweisungen (Remesas) von in den USA lebenden mexikanischen Migranten an ihre Verwandten in Mexiko sind inzwischen nach den Erdöldevisen die zweitwichtigste Devisenquelle, noch vor den Einnahmen aus dem Tourismus.
Jahr für Jahr versuchen mehr als eine Million Mexikaner – meist illegal – in die USA zu gelangen. Die Einnahmen der Schleuserbanden, die das Geschäft mit der Migration über die mehr als 3000 Kilometer lange Grenze kontrollieren, liegen jährlich bei über 40 Milliarden Dollar.
Damit gehört diese Branche – neben Drogenhandel und Waffenschmuggel – zu den wichtigsten kriminellen Potenzialen des Landes.
Braulio Alfonso Moro ist Journalist.
Amt des mexikanischen Staatspräsidenten
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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
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