Wie dramatisch sich der Tsunami, der Ende Dezember 2004 Südostasien heimsuchte, für die Menschen auswirkte, ist bekannt. Unter Umweltaspekten hat er vor allem die Gefahren vor Augen geführt, die von küstennahen Atomanlagen ausgehen: Im indischen Bundesstaat Tamil Nadu wurde das Kernkraftwerk Kalpakkam (440 Megawatt) überschwemmt. Es musste per Notabschaltung heruntergefahren werden.
Aber auch anderswo drohten in den letzten Jahren nukleare Gefahren. Am 9. August 2004, dem Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Nagasaki, gab es im japanischen Kernkraftwerk Mihama, 320 Kilometer westlich von Tokio, einen Unfall mit vier Toten und sieben Verletzten. Auch wenn dabei offenbar keine Radioaktivität ausgetreten ist, wirft dieser Störfall einmal mehr die Frage auf, wie es um die Sicherheit dieser Industrie insgesamt und um die Information der Öffentlichkeit bestellt ist.
In Japan steht seit einigen Jahren das Thema Reaktorsicherheit im Zentrum der Atomdebatte. In der japanischen Presse war von Nachlässigkeiten bei der Inspektion von Kernkraftwerken und von gefälschten Berichten die Rede. Im April 2003 wurden 17 Reaktoren der Tokyo Electric Power sicherheitshalber abgeschaltet, nachdem zuvor versucht worden war, die Entdeckung von Lecks und Rissen zu vertuschen.
Auch Russland gibt wenig über den tatsächlichen Zustand seiner veralteten Atomanlagen preis. In Frankreich sickern die Informationen tröpfchenweise durch, so etwa über das 1977 ans Netz gegangene elsässische Kernkraftwerk Fessenheim.
Es ist das älteste Kernkraftwerk Frankreichs und liegt tiefer als der Wasserspiegel eines in seiner Nähe verlaufenden Kanals, kann also überschwemmt werden. Außerdem ist es nicht erdbebensicher. Anfang 2004 gab es dort sieben Zwischenfälle, bei denen zwölf Menschen radioaktiv verstrahlt wurden.
Bei Unglücken mit Chemikalien sind die Gefahren nicht kleiner. Über zwanzig Jahre nach der Katastrophe im indischen Bhopal – am 3. Dezember 1984 entwichen aus einem Lagertank der Pestizidfabrik von Union Carbide über 40 Tonnen eines tödlichen Gasgemischs und töteten über 3.000 Menschen, 100.000 wurden verletzt – ist der Boden immer noch kontaminiert, das Grundwasser verseucht.
Haben die westlichen Firmen aus diesem Unglück irgendwelche Lehren gezogen? Nach wie vor verlagern viele Firmen der entwickelten Länder ihre Produktion in Staaten des Südens, frei nach dem Motto: Umweltstandards für den Norden, laxer Umgang mit den Vorschriften im Süden. Indem sie Informationen zurückhalten, Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern und Schutzbestimmungen umgehen, drücken sich die Umweltverschmutzer vor ihrer Verantwortung.
Zu den in Bhopal hergestellten Chemikalien gehörte das Phosgen, ein Synthesebaustein für die Herstellung von bestimmten Kunststoffen, den so genannten Polyurethan-Schäumen.
Im französischen Toulouse wurden zwar die Phosgen verarbeitenden Anlagen stillgelegt, doch in der Gegend von Grenoble werden damit immer noch Kunststoffe synthetisiert. Dabei gibt es etliche Alternativen zu Phosgen. Und durch weitere innovative Bemühungen könnte die Kunststoffproduktion eines Tages ganz ohne dieses hochgiftige Gas auskommen.
Zu schweren Umweltschäden kommt es auch im Bergbau und bei der Ölförderung. In Französisch-Guyana werden durch das Goldwaschen Luft, Böden und Flüsse des Amazonasbeckens mit Quecksilber verseucht. Ölbohrfelder sind eine ständige Quelle von Umweltverschmutzung, auch wenn kein Unfall passiert.
Sie schädigen ganze Mündungsgebiete von Flüssen, so das Nigerdelta in Nigeria oder das Mahakam-Feuchtgebiet auf Kalimantan (früher Borneo). Weltweit fließen jedes Jahr schätzungsweise 600.000 Tonnen Erdöl ins Meer: 30 Prozent stammen aus Ölförderanlagen, 60 Prozent aus Verklappungen und lecken Schiffen, nur 10 Prozent aus verunglückten Öltankern.
Im Dezember 2004 brach vor Alaska ein malaysischer Tanker mit 1,8 Millionen Liter Erdöl auseinander. Fünfzehn Jahre davor hatten sich bei der Havarie des Tankers »Exxon Valdez« 40 Millionen Liter Öl über dieselben Küsten ergossen. Positiv ist immerhin zu vermerken, dass die internationale Schifffahrtsorganisation IMO sich darauf geeinigt hat, von 2005 an einwandige Tankschiffe nach und nach aus dem Verkehr zu ziehen. EU-weit haben sie seit April 2005 Hafenverbot.
Zu den am meisten verseuchten Orten gehören die Verschrottungswerften für ausgemusterte Tankschiffe, darunter der weltgrößte Schiffsfriedhof bei Alang in Indien. Arbeiter dort wissen nichts über die Stoffe (Asbest, Schwermetalle, Öle), mit denen sie hantieren.
Frankreich wollte in Alang einen ausrangierten Flugzeugträger, die 45 Jahre alte »Clemenceau«, abwracken lassen – nach Protesten von Umweltschützern und einer langen Irrfahrt musste der asbestbelastete 266-Meter-Kahn im Mai 2006 in seinen Heimathafen Brest zurückgeschleppt werden.
Journalist
Umwelt- und Sicherheitsinitiative von UNDP, Unep und OSZE
Forschungsinstitut (internationaler Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung)
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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.
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