In Burkina Faso gibt es keine gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle mehr. Mitte 2016, sieben Jahre nachdem sie die Bt-Baumwolle von Monsanto ins Sortiment genommen hatten, strichen die marktbeherrschenden Unternehmen Sofitex, Socoma und Faso Coton das Produkt wegen schwacher Erträge und mäßiger Qualität aus dem Programm. Damit sank der Anteil von Bt-Baumwolle von 70 Prozent auf null.
Die Bauern in dem westafrikanischen Land sahen die Bt-Baumwolle¹ äußerst kritisch: zu teuer, zu geringe Erträge, gesundheitsschädlich für die Pflückerinnen und das Vieh, das die Blätter frisst. Seit dem – vorläufigen – Ende von Bt-Baumwolle fielen ihre Ernten besser aus und ihr Vieh wurde gesund. In der Saison 2016/17 pflückten die burkinischen Produzenten 683.000 Tonnen Baumwolle – 16 Prozent mehr als im Jahr davor, als die Hälfte des Saatguts aus den Labors von Monsanto und des burkinischen Instituts für Umwelt und Agrarforschung (Inera) kam. Gleichzeitig stieg der Ertrag um 4 Prozent auf 922 Kilo Gramm pro Hektar. Außerdem verbesserte sich die Qualität der Fasern – sie wurden wieder länger.
In Burkina Faso leben 20 Prozent der Bevölkerung direkt vom Baumwollanbau, der gut 4 Prozent des BIPs ausmacht. Bis Anfang der 2000er Jahre war Baumwolle das wichtigste Exportgut des Landes. Produziert wurde sie in 250.000 Agrarbetrieben, zumeist Klein- und Familienunternehmen. Der Baumwollanbau helfe die Armut zu bekämpfen und die Lebensbedingungen der Landbevölkerung zu verbessern, hieß es in einem Bericht des Umweltministeriums von 2011.
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Offiziell hatte man der transgenen Baumwolle ein gutes Zeugnis ausgestellt: vorzügliche Erträge und kerngesunde Bauern. 2010, nicht mal ein Jahr nach der ersten Bt-Baumwoll-Ernte, hatten von Monsanto finanzierte Forscher festgestellt: »Burkina Faso ist ein hervorragendes Beispiel für Prozesse und Verfahren, die für eine gelungene Markteinführung von Biotechprodukten erforderlich sind.« Dabei gab es schon früh Hinweise auf Probleme. Doch Monsanto wiegelte ab.
Vor Einführung der transgenen Sorte machte langfaserige Baumwolle 93 Prozent der burkinischen Produktion aus, die kurz faserige nur 0,44 Prozent. 2015 waren nur noch 21 Prozent der Ernte langfaserig, 56 Prozent dagegen kurzfaserig. Die burkinische Baumwolle verlor an Ansehen und Wert. Der Grund für das Scheitern ist eindeutig: Monsanto und das Agrarforschungsinstitut Inera haben bei der Genmanipulation gepfuscht, statt der üblichen sechs bis sieben Rückkreuzungen nur zwei durchgeführt. Doch Anfang der 1990er Jahre war die Zeit knapp, als wegen Raupenbefalls die Produktion stark zurückging und die verschuldeten Bauern auf Gentechbaumwolle setzten. Da sah der US-Konzern Monsanto die Chance, über das kleine Burkina Faso am Rand der Sahelzone den afrikanischen Markt aufzurollen.
Lange Zeit war Südafrika, das 1997 in die Gentechnik eingestiegen war, das einzige afrikanische Land, in dem transgene Nutzpflanzen angebaut wurden. Heute sind dort 80 Prozent der Mais-, 85 Prozent der Soja- und fast 100 Prozent der Baumwollproduktion genetisch verändert. 2008 kündigte auch Ägypten den Einstieg in die Bt-Mais-Produktion an. Im selben Jahr führte Burkina Faso die Bt-Baumwolle ein, 2012 folgte der Sudan mit Bt-Baumwolle »made in China«. Das Ergebnis war in keinem der Länder überzeugend.
Der International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications (ISAAA), der eigens zur Förderung von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) in Afrika gegründet wurde, sah jüngst »eine neue Welle der Akzeptanz«. Mehrere Länder haben Gesetze über die biologische Sicherheit eingeführt; viele erlauben bereits Tests auf ihrem Gebiet. Burkina Faso etwa gestattet – trotz der schlechten Erfahrungen mit der Bt-Baumwolle – den Testanbau von Genmais und transgenen Augenbohnen, Ägypten von Genmais und Kamerun von Bt-Baumwolle. Auch Ghana, Kenia, Malawi, Mosambik, Nigeria, Uganda und Tansania machen mit.
Großes Interesse hat die Genlobby an Kenia und vor allem an Nigeria, dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich zweitstärksten Staat des Kontinents. 2015 genehmigte die nigerianische Nationalversammlung die ersten Experimente mit GVO. Im Herbst 2016 stufte die Nigerian Academy of Science GVO als gesundheitlich unbedenklich ein. Im März 2016 protestierten rund 100 Organisationen, darunter Bauerngewerkschaften und Studentengruppen, gegen die Monsanto-Projekte. Eine von hunderten westafrikanischen Gruppen organisierte Karawane zog von Burkina Faso über Mali bis nach Senegal, um für die Gefahren zu sensibilisieren, die von GVO für die Landwirtschaft und die Biodiversität ausgehen.
Neben dem US-Konzern Monsanto, der das Marktpotenzial Afrikas schon vor 20 Jahren erkannt hat, sind in Afrika mittlerweile auch andere Unternehmen im Rennen. Dazu gehören der Pharma- und Chemiekonzern Bayer, der inzwischen Monsanto übernommen hat, das US-Unternehmen DuPont Pioneer und die von Chem China aufgekaufte Schweizer Syngenta. In Afrika liegen immerhin 60 Prozent der weltweit noch ungenutzten Agrargebiete – und transgene Pflanzen wachsen erst auf 3 Prozent der Anbaufläche.
Monsanto hat neben seiner Zentrale in Nairobi (Kenia) Filialen in Malawi, Nigeria, Südafrika, Tansania und Sambia. Regionaldirektor Gyanendra Shukla stammt aus Indien, wo GVO den Baumwollmarkt längst erobert haben. Nach seiner Ankunft in Nairobi im Januar 2015 sprach er vom »großen Potenzial« Afrikas, dessen Bevölkerung bis 2100 von 1,1 Milliarden auf 4 Milliarden anwachsen werde. Da derzeit noch 95 Prozent der Böden in Subsahara-Afrika nicht für die kommerzielle Landwirtschaft genutzt würden, wolle er wie in Indien mit den Kleinbauern zusammenarbeiten. Bayer ist auf dem afrikanischen Kontinent zwar erst seit kurzem aktiv, doch bereits sehr gut vernetzt.
Der Leverkusener Chemiegigant hat Büros in Kenia und Südafrika. Seine neue Regionalgesellschaft Bayer West and Central Africa (BWCA) mit Sitz in der Elfenbeinküste und Filialen in Ghana, Nigeria, Kamerun, Senegal und Mali erobert nun auch West- und Zentralafrika.
Anfangs setzten die Saatgutkonzerne auf die »starken« Regierungen Afrikas, die den Druck ihrer Bürger wegstecken: auf die Regime in Ägypten, im Sudan, in Uganda oder Burkina Faso. Außerdem nutzten sie die unsichere Lage Südafrikas kurz nach dem Ende der Apartheid, um auch hier einzusteigen. Dabei profitierten sie davon, dass die Bauern kein Mitspracherecht bei der Entscheidung über ein bestimmtes Saatgut haben.
Die Saatgutindustrie behauptet beharrlich, GVO-Pflanzen könnten helfen, angesichts des Bevölkerungswachstums den Hunger zu besiegen und den Einsatz von Pestiziden und Insektiziden zu reduzieren. Die meisten in Afrika angebauten GVO (wie Baumwolle und Soja) sind aber gar keine Nahrungspflanzen. Und natürlich lässt sich der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel auch anders verringern als durch GVO.
Um die Herzen und Köpfe für Biotech zu gewinnen, haben die Saatguthersteller zahlreiche Verbände, Stiftungen und NGOs gegründet. Sie heißen Africa Harvest, African Biosafety Network of Expertise (ABNE), AfricaBio, African Agricultural Technological Foundation (AATF) oder eben ISAAA. Finanziert werden sie von den Saatgutherstellern, allen voran Monsanto, oder von großen Stiftungen und der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID.
Die AATF versucht afrikanische Behörden dazu zu bringen, die für die Entwicklung der GVO erforderlichen Gesetze zur biolo gischen Sicherheit zu verabschieden. Auch knüpft sie Verbindungen zwischen den Konzernen und »humanitären« Programmen wie »Niébé Bt« (Vermarktung von GVO-Saatgut der Augenbohne) oder »Water Efficient – Maize for Africa« (Entwicklung dürreresistenter Maissorten). Mit der Bekämpfung von Hunger und Armut haben solche »humanitären« Initiativen kaum noch etwas zu tun. In einem seltenen Anfall von Solidarität hat Monsanto 2016 der AATF und testfreundlichen Staaten einige gentechnische Instrumente lizenzfrei überlassen. Damit zieht sich der Konzern wohlwollende Experten heran, die irgendwann in den Kommissionen für biologische Sicherheit sitzen. Trotz aller Bedenken will jetzt auch Burkina Fasos Nachbarland Elfenbeinküste die Bt-Baumwolle einführen. Im Juli 2016 verabschiedete das ivorische Parlament einstimmig ein Gesetz über die biologische Sicherheit. Man hofft die Baumwollpflanzen künftig nur zwei- statt sechs- oder siebenmal im Jahr mit Pflanzenschutzmitteln behandeln zu müssen.
Selbst Burkina Faso hat das Kapitel GVO nicht abgeschlossen. Mit Bayer gab es bereits erste Gespräche über Biotechprojekte. Für die GVO-Lobby ist das Scheitern der Bt-Baumwolle in Burkina Faso nur ein kleiner Unfall, verursacht durch das übereilte Agieren von Monsanto. Doch als das gentechkritische Netzwerk Copagen 203 Produzenten untersuchte, wurde das ganze Ausmaß der entstandenen Schäden aufgedeckt: Der Einsatz von Bt-Saatgut erhöhte die Produktionskosten der Bauern um 7 Prozent und verminderte zugleich die Erträge um 7 Prozent.
Von den vielen Versprechen hat die Monsanto-Baumwolle nur eines gehalten: Die Zahl der erforderlichen Insektizidbehandlungen ließ sich deutlich verringern. Die Copagen-Studie zeigt überdies, dass fast 40 Prozent der Produzenten Bt-Baumwolle und konventionelle Baumwolle beim Kauf oder nach der Ernte vermischen – und dass acht Jahre nach der Einführung der GVO die meisten Produzenten gar nicht wissen, was ein GVO ist, und Bt-Baumwolle schlicht für eine verbesserte Saatgutsorte halten.
Die Bauern kommen in der afrikaweit geführten Debatte praktisch nicht zu Wort. Die Entscheidungen in der ersten GVO-Genehmigungsphase werden – geschützt vor neugierigen Blicken – im kleinen Kreis zwischen privaten und öffentlichen Geld gebern, Aufsichtsbehörden und Wissenschaftlern ausgehandelt. Die große Gefahr der GVO liegt darin, dass sie die afrikanische Landwirtschaft verändern. In Afrika bewirtschaften die Bauern in der Regel kleine Parzellen, auf denen sie verschiedene Produkte anbauen. Sie verbinden Ackerbau und Viehzucht, was der Umwelt, der Biodiversität und den Böden zugutekommt. Der Anbau von GVO ist das genaue Gegenteil: Er läuft auf Monokulturen hinaus, die aus den heutigen Bauern womöglich einfache Landarbeiter machen.
Moderne Gentechnik arbeitet mit Genscheren. Die Genschere Crispr/Cas ist eine Art Immunsystem, mit dem Bakterien Angriffe von Viren erkennen und abwehren können. 2012 entwickelten Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna daraus ein molekularbiologisches Werkzeug. Es funktioniert nicht nur bei Bakterien, sondern auch bei Pflanzen, Tieren und Menschen.
Während Gentechnisch Veränderte Organismen (GVO) wie die Bt-Baumwolle auf Transgenese beruhen, bei der man etwa mit einer Genkanone im Schrotschussverfahren auf das Pflanzengewebe schießt – in der Hoffnung, dass das fremde Genkonstrukt in die DNA der Pflanzenzelle eingebaut wird und diese dadurch neue Eigenschaften erwirbt – wird beim Genome Editing nur die gewünschte Position auf dem Gen verändert. Dazu werden Designer-Nukleasen eingesetzt. Diese Enzyme schneiden doppelsträngige DNA an einer bestimmten Stelle, die entstehenden Doppelstrangbrüche aktivieren dann zelleigene Reparaturprozesse.
Crispr/Cas9 schien schnell zum Standardinstrument in molekularbiologischen Laboren zu werden. Studien aus den letzten Jahre legen aber nahe, dass die angeblich so präzise Genschere nicht nur an gewünschten Stellen schneidet, sondern eine Vielzahl von ungeplanten Mutationen auslösen kann. Deshalb wird weltweit daran gearbeitet, einzelne Bestandteile von Crispr/Cas9 zu verbessern. Zu den vielversprechenden Weiterentwicklungen zählt Crispr/Cpf1.
Martktfähige Crisp-Pflanzen gibt es noch nicht, der Agrarkonzern Dupont Pioneer (USA), weltgrößter Entwickler und Anbieter von Anbaupflanzen und Saatgut, arbeitet in einem Freisetzungsversuch an einem neuen Wachsmaisbakterien auf. Wenn Viren-DNA in die Bakterienzelle eindringt, speichert die Bakterie eine kurze Sequenz der fremden DNA im eigenen Erbgut. Aus mehreren Sequenzen entsteht so ein Archiv, in dem die Eintragungen durch kurze Abschnitte bakterieneigener DNA markiert werden. Bei erneutem Befall mit der Viren-DNA wird die gespeicherte Sequenz als RNA-Strang repliziert, der wiederum von einem Cas9-Molekül – einem bakterieneigenen Enzym, das DNA aufspaltet – gebunden wird.
Mit der gebundenen RNA als Schlüssel sucht das Cas9-Molekül nach der korrespondierenden Stelle in der Viren-DNA, bindet sich dort und zerschneidet den DNA-Doppelstrang. Die Crispr/Cas9-Methode nutzt diesen Mechanismus, indem sie mit einer maßgeschneiderten RNA-Sequenz die Möglichkeit bietet, zielgenau an einer Stelle im anvisierten Genom anzudocken. An der Schnittstelle kann dann eine DNA-Sequenz entfernt oder durch eine neue ersetzt werden.
Autor: Rémi Carayol ist Journalist.
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