Der unermessliche Wert der Ökosysteme wird auch für Ökonomen deutlich, wenn man ihn in Zahlen kleidet. Was würde es kosten, wenn der Mensch all das selbst leisten müsste, was die Natur ihm kostenlos und jedes Jahr neu zur Verfügung stellt? Die Regulierung des Klimas, frisches Wasser, fruchtbare Böden, Blütenbestäubung, Lebensraum für Millionen von Arten, Nahrung, Rohstoffe und genetische Ressourcen sowie Erholungsräume und nicht zuletzt Schönheit der Natur.
Eine Arbeitsgruppe um Robert Costanza, Umweltökonom an der US-Universität Vermont, schätzt den Wert dieser Dienstleistungen auf rund 33.000 Milliarden Dollar jährlich. Das ist deutlich mehr, als der Mensch selbst leistet. Die Summe der weltweit erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukte liegt bei 18.000 Milliarden Dollar.
Dividiert man die 33.000 Milliarden Dollar durch die sechs Milliarden Menschen auf der Erde, ergibt sich eine Öko-Gesamtleistung von etwa 5500 Dollar pro Kopf und Jahr. Für die vielen lebensnotwendigen Dienste, die das Ökosystem leistet, ist das eigentlich recht billig.
Nach Schätzungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) beläuft sich allein der wirtschaftliche Beitrag der Mangrovenwälder und der Korallenriffe je nach Region auf 200.000 bis 900.000 Dollar pro Quadratkilometer und Jahr. Der britische Ökonom Nicholas Stern rechnete 2006 alle diese Zahlen zusammen und kam auf eine Schwindel erregende Summe.
Die Umweltschäden, zumal die durch die Klimaerwärmung verursachten, werden Stern zufolge 5 bis 20 Prozent aller Bruttosozialprodukte aufzehren und die Welt damit in eine tiefe Rezession führen. Die Investitionen, um den Klimawandel auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, würden laut Stern nur 1 Prozent kosten. Wenn uns solche Gefahren drohen, warum ist es dann trotzdem so schwer, die notwendigen Ausgaben zur Rettung der Erde zu bewilligen?
Nach der in den westlichen Leistungsgesellschaften vorherrschenden Wertvorstellung ist die Umwelt außerhalb von uns. Die Gesellschaft, so unsere Wahrnehmung, ist von der Natur mehr oder weniger unabhängig, die Schäden an ihr gelten als »Lateralschäden« – als Unfälle fernab vom eigentlichen System.
Die Umwelt steht nur am Rande des modernen Bewusstseins. Dieses utilitaristische, auf Nützlichkeit ausgerichtete Denken spiegelt sich auch in den klassischen Indikatoren der Wertschöpfung wie Wachstum und Bruttoinlandsprodukt wider.
Denn diese Indikatoren berücksichtigen weder Ressourcenschwund noch Abfallproduktion. In ihrer derzeitigen Form behandeln die Industriegesellschaften die Natur als auszubeutendes Territorium und wirtschaftliches Wegwerfprodukt. Diese Sichtweise ist nicht länger tragbar. Die Wirtschaft muss sich den Kapazitäten der Umwelt anpassen und aufhören, die Natur als unerschöpfliches Reservoir für ihr Wachstum zu betrachten.
Doch wie viel Natur dürfen wir in Anspruch nehmen? Stellen Sie sich vor, sie seien Robinson Crusoe auf der einsamen Insel: Wie groß müsste Ihre Insel sein (Strand und nutzbarer Küstenstreifen inklusive), damit Sie autark leben und Ihre Bedürfnisse an Nahrung, Heizung, Baumaterial, sauberer Luft, Trinkwasser und Müllentsorgung dauerhaft befriedigen könnten?
Es gibt eine Berechnungseinheit dafür: den »ökologischen Fußabdruck«. Er wurde von dem kanadischen Wirtschaftswissenschaftler William Rees geprägt und gibt an, welche Fläche ein bestimmter Lebensstandard beanspruchen würde. Der Fußabdruck einer Bevölkerung bezeichnet dementsprechend die Fläche an Böden und Gewässern, die nötig ist, um die Ressourcen für ihren Lebensstil bereitzustellen und die anfallenden Abfälle und Rückstände aufzunehmen.
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Im Weltmaßstab war der ökologische Fußabdruck der Menschheit bereits in den 1980er-Jahren größer als der Planet selber. 1999 überstieg er seine Fläche schon um 20 Prozent.
Anders ausgedrückt: 1999 betrug die pro Kopf zur Verfügung stehende nutzbare Fläche 1,9 Hektar, der ökologische Fußabdruck dagegen 2,3 Hektar. US-Amerikaner haben einen ökologischen Fußabdruck von 9,7 Hektar, Briten 5,4, Franzosen 5,2 und der durchschnittliche Deutsche von 4,7 Hektar. Der ökologische Fußabdruck der einkommensstarken Länder beträgt damit das Sechsfache von dem der einkommensschwachen Länder. Um den Verbrauch der Industrieländer zu decken, bräuchten wir einen zweiten Planeten. Der ist einstweilen jedoch nicht in Sicht.
Auf spielerische und damit im Detail natürlich anfechtbare Art und Weise schufen junge englische Wirtschaftswissenschaftler 2006 einen »Happy Planet Index«, mit dem nicht das reichste, sondern das glücklichste Land der Welt ermittelt wird. Er bewertet die Parameter Lebensqualität, Lebenserwartung und intakte Umwelt. Nach diesem Index wird das Land am höchsten bewertet, in dem man möglichst lange, möglichst genügsam und möglichst im Einklang mit der Natur lebt.
Deutschland steht auf Platz 81. Nummer eins ist Vanuatu – der im Südpazifik liegende Archipel ist also das glücklichste Land der Welt. Allerdings ist Vanuatu auch eines der Länder, die bei der Erderwärmung als erste vom steigenden Meer überspült werden. Wenn Ihnen etwas an der Rettung von Vanuatu liegt, fliegen Sie besser nicht hin.
Agnès Sinaï ist Journalistin und Dozentin am Pariser Institut d'Etudes Politiques; sie ist Koautorin der Dokumentation »Paradis perdus«, Arte, 2006.
Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.
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