Weil das Erdöl knapp und teuer wird, werden dringend alternative Kraftstoffe mit wesentlich weniger Emissionen an Treibhausgasen gesucht. In den vergangenen Jahren haben Experten große Hoffnungen auf die Entwicklung von Biokraftstoffen aus Pflanzen gesetzt. Inzwischen ist die Euphorie einem sehr kritischen Blick gewichen.
Denn die landwirtschaftliche Nutzfläche der Erde beträgt nur 1,6 Milliarden Hektar. Pro Hektar kann man etwa 1,5 Tonnen Pflanzentreibstoff gewinnen. Würde man überhaupt keine Nahrungsmittel mehr anbauen, ließen sich also 2,1 Milliarden Tonnen Öleinheiten (Mtoe) erzielen – zurzeit werden allerdings weltweit 3,5 Mtoe verbraucht.
Selbst unter dieser extrem unrealistischen Voraussetzung (beim Lebensmittelbedarf lässt sich nun einmal nicht viel einsparen) ließe sich also unser Treibstoffbedarf bloß zu knapp 60 Prozent decken. Schon diese einfache Rechnung zeigt, dass Pflanzentreibstoffe nur einen kleinen Beitrag zu unserer Energieversorgung im Mobilitätssektor leisten können.
Das ehrgeizige Ziel Deutschlands, dem konventionellen Kraftstoff bis 2020 ein Fünftel Biokraftstoff (Bioethanol, Biodiesel) beizumischen, entspricht einem Flächenbedarf von etwa zwei Millionen Hektar Raps für Biodiesel und 1,5 Millionen Hektar Getreide für Bioethanol. Dieser Flächenbedarf entspricht etwa 30 Prozent der gesamten bundesdeutschen Ackerfläche. Allein dieser Umstand wird zu einem Wettbewerb zwischen Nahrungsmittel- und Treibstoffproduktion führen.
Die jetzigen Preissteigerungen bei Agrarrohstoffen in Europa zeigen, dass die Verarbeiter von Biokraftstoffen schon nach günstigeren Agrarrohstoffen auf dem Weltmarkt Ausschau halten. Dies kann dazu führen, dass in Zukunft auch Ethanol aus brasilianischem Zuckerrohr und indonesisches oder malaysisches Palmöl eingeführt wird, um daraus Biodiesel für europäische Tanks herzustellen.
Denkbar ist auch die Einfuhr von großen Mengen Soja aus den USA. Das ist letztlich alles nur eine Frage der Preise. Entscheidend wird darum sein, wie nachhaltig die Importware erzeugt wird. Denn wenn irgendwo in Übersee Wälder abgeholzt werden, damit hierzulande die Autos »sauber« über die Autobahn rollen, dann kommt das einer umweltpolitischen Bankrotterklärung gleich. Das kann niemand wirklich wollen.
In der Tat sind Brasilien und Indonesien derzeit dabei, den Pflanzentreibstoffmarkt an sich zu reißen, weil bei ihnen die Herstellungskosten im Vergleich zu Europa lächerlich gering sind. Außerdem liegt die Energieausbeute bei der Zuckerrohr- und Palmölverarbeitung wesentlich höher als bei der Ethanolgewinnung aus europäischen Feldfrüchten wie Getreide oder Zuckerrübe. Denn das Zuckerrohr ist eine mehrjährige Pflanze mit acht bis zehn Jahren Lebensdauer (bei der Palme sind es fünfzig), und das senkt die Energiekosten drastisch, weil nicht jedes Jahr gepflügt und ausgesät werden muss.
Anders als bei den in Europa angewandten Verfahren dienen beim Zuckerrohr die pflanzlichen Abfälle als Brennmaterial für den Vergärungs- und Destillationsprozess, der einen erheblichen Anteil der erzeugten Energie gleich wieder verbraucht. In Europa braucht es – neben mehreren hundert Liter Wasser für die Bewässerung – fast einen Liter Diesel für die Produktion von 1,3 Liter Öläquivalent in Form von Mais- oder Zuckerrüben-Ethanol.
In Brasilien genügt dieselbe Menge für fünf Liter Zuckerrohr-Ethanol. In Frankreich wie in den USA ist die Förderung der Agrotreibstoff-Industrie in Wirklichkeit eine verkappte Subventionierung des heimischen Getreideanbaus.
Brasilien erklärt sich bereit, für den Energiepflanzenanbau zusätzliche 14 Millionen Hektar (das ist mehr als die ganze deutsche Ackerbaufläche, die mit 12 Millionen Hektar beziffert wird!) unter den Pflug zu nehmen. Natürlich gehen diese Flächen zulasten der Regenwälder, etwa am Rand des Bundesstaates Mato Grosso. Mit allen vorhersehbaren Folgen für Biodiversität, Bodenerosion und Regenhaushalt.
Der zweite wichtige Aspekt betrifft die CO2 Emissionen. Die Hoffnung besteht darin, klimaneutrale Pflanzentreibstoffe zu erzeugen, bei deren Verbrennung nur so viel CO2 emittiert wird, wie der Atmosphäre zuvor durch Photosynthese entnommen wurde. Gänzlich klimaneutral wären die Biotreibstoffe allerdings nur, wenn es keine Traktoren zum Pflügen bräuchte, keinen Kunstdünger und keine Pestizide, keine Erntemaschinen und keine Transporte zur Fabrik.
Deutsche Experten gehen davon aus, dass Biodiesel in Relation zum mineralischen Diesel rund 50 Prozent Treibhausgase einspart. Aber natürlich geht auch die Erdölförderung in Nigeria, Ecuador und sonstwo auf der Erde nicht ohne nachhaltige Schäden für Umwelt und Menschen vonstatten, weshalb alle Vergleichsstudien mit Vorsicht zu genießen sind.
Bei allen kritischen Beobachtern besteht hingegen nicht der geringste Zweifel, dass die Bilanz katastrophal negativ ausfallen wird, wenn die Biotreibstoffe aus tropischen Anbaugebieten kommen und durch Holzeinschlag und nachfolgende Brandrodung gewonnen werden. In solchen Fällen würde der in den Bäumen gebundene Kohlenstoff freigesetzt, was die Mineralisation der Waldböden zur Folge hätte – dabei wird das im Boden gebundene Kohlendioxid auch noch gelöst.
Nach dem Global Canopy Programme ist die globale Entwaldung für 25 Prozent der gesamten Kohlenstoff-Emissionen verantwortlich. Insgesamt ist die fortschreitende Entwaldung eine der Hauptquellen von Treibhausgasen. Schon deshalb können Pflanzentreibstoffe nur dann eine umweltfreundliche Lösung sein, wenn sie nicht auf Kosten des Tropenwaldes gehen.
Diese Tatsache weist die Potenziale der Biokraftstoffe in ihre Schranken. Allen Beteiligten muss daher klar sein, dass beim Status quo die Biokraftstoffe nur einen begrenzten Teil des Bedarfs nachhaltig decken können. Alles andere würde auf Kosten wertvoller Wälder oder ertragreicher Äcker gehen.
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Wer meint, man könne den gegenwärtigen Kraftstoffbedarf und Mobilitätsanspruch gänzlich mit Energiepflanzen abdecken und überdies eine wachsende Weltbevölkerung ernähren, der irrt. Dazu werden auch die Biokraftstoffe der sogenannten zweiten Generation nicht imstande sein.
Dank neuartiger Verfahren wird dann die ganze Pflanze vom Stängel bis zum Korn energetisch verwertet und somit die Flächenausbeute erhöht. Nach einer aktuellen Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) haben die Biokraftstoffe der Zukunft im Vergleich zu den fossilen von heute ein Einsparpotenzial von 90 Prozent des CO2-Ausstoßes – marktreif sind die entsprechenden Anlagen frühestens im Jahr 2015.
Lionel Vilain ist Agrarwissenschaftler, Berater für Landwirtschaftsfragen bei France Nature Environnement (FNE), Herausgeber von »La Méthode IDEA. Indicateurs de durabilité des exploitations agricoles«, Paris (Educagri) 2003.
Wissenschaftliches Netzwerk zum Schutz des Regenwalddaches
Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut
Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.
© 2007
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