Die schwedische Regierung hat 2005 eine Kommission einberufen, die dem Land mit seinen neun Millionen Einwohnern den Weg in die Unabhängigkeit vom Öl weisen soll. Klar ist, dass die fossilen Kraftstoffe zur Neige gehen und dass bei ihrer Verbrennung Treibhausgase entstehen. Darum hat die Gruppe aus Wissenschaftlern, Industriellen und Staatsbeamten 2006 ein Strategiepapier vorgelegt, das »Schweden zu einer Gesellschaft ohne Öl machen« soll, und zwar bis zum Jahr 2020.
Die Ziele sind sehr ehrgeizig: Die Zahl der heute 800 Windräder soll sich auf 3000 bis 6000 vervielfachen. Ein Energieeffizienz-Programm soll den Wirkungsgrad der eingesetzten Energie verbessern. Im Bereich Transport und Verkehr – auf den derzeit zwei Drittel des Ölverbrauchs in Schweden entfallen – soll der Bedarf um 40 bis 50 Prozent sinken. Darüber hinaus soll keine einzige Wohnung und kein einziges Firmengebäude mehr mit Öl beheizt werden. Auch die Industrie soll ihren Ölbedarf um 25 bis 40 Prozent verringern.
So hoch gesteckt die Ziele auch erscheinen mögen, sie fügen sich doch in eine Tradition schwedischer Politik ein. Seit den 1970er-Jahren hat Schweden seinen Heizölverbrauch um 70 Prozent reduziert. Steuerliche Maßnahmen, insbesondere die 1991 eingeführte CO2-Abgabe, haben das bewirkt, was die Schweden gerne eine »grüne Bekehrung« nennen. Die Abgabe macht Heizöl deutlich teurer.
Da der Staat gleichzeitig Holzheizungen fördert, ist der klassische Ölofen inzwischen unwirtschaftlich, das Heizen mit Biobrennstoffen dagegen das Normale. Weil Gebäude auch immer besser wärmeisoliert werden, dürfte das Zeitalter des Heizöls in schwedischen Wohnungen bald vorbei sein. Holz und pflanzliche Abfälle decken bereits zwei Drittel des Energiebedarfs.
Schwieriger ist es beim Verkehr. Die Kommission geht davon aus, dass es mehr als fünfzehn Jahre dauern wird, bis die Fahrzeuge ganz ohne Benzin und Diesel auskommen. Immerhin kommt die Umrüstung der Fahrzeuge auf Ethanol voran.
Schweden ist der größte Ethanol-Verbraucher Europas. In den Städten fahren die meisten öffentlichen Busse mit reinem Ethanol und bei Privatautos ist der Kraftstoff E5 (95 Prozent Erdöl, 5 Prozent Ethanol) zur Zeit am weitesten verbreitet. Hinzu kommen hunderttausend »Flex-Fuel-Cars«, die mit E85 (85 Prozent Ethanol) betankt werden.
Der Verkauf von »grünen« Autos boomt und wird kräftig gefördert: Sie kosten keine Kfz-Steuer, sind von der City-Maut befreit und dürfen in den Parkhäusern von Stockholm gratis parken.
Das Ethanol schafft allerdings eine andere Abhängigkeit, denn 80 Prozent dieses Biokraftstoffs stammen aus dem Zuckerrohranbau in Brasilien. Dort hat die intensive Landwirtschaft gravierende Folgen für Gesellschaft und Umwelt.
Schweden will darum auf eigene Ressourcen umstellen und setzt auf sein »grünes Gold«. Wälder bedecken mehr als die Hälfte des Landes. Aus ihnen sollen umweltschonende Kraftstoffe hergestellt werden.
Was die industrielle Energieversorgung angeht, ruhen große Hoffnungen auf dem aus organischen Abfällen gewonnenen Biogas (derzeit fährt der Prototyp eines Zuges damit). Zusammen mit der Windkraft, Solarenergie und Gezeitenkraftwerken könnte es die Elektrizität aus Kernkraftwerken ersetzen. Denn das ist der Wermutstropfen im schwedischen Wein.
Im Strommix stecken mehr als 30 Prozent Atomstrom, und die Regierung will ihre Reaktoren erst in dreißig Jahren abschalten. Darum stehen die Investitionen in Forschung und Entwicklung der erneuerbaren Energien im Zentrum des schwedischen Null-Öl-Projektes.
Bisher hat Schweden hier aber nicht viel vorzuweisen. Zwar setzt der staatliche Energiekonzern Vattenfall stark auf die heimische Wasserkraft (die ein Drittel des Strombedarfs deckt, aber nicht mehr weiter ausgebaut werden kann) und lässt Windkraftparks an Land und in der Ostsee errichten. Eine eigene Erneuerbare-Energie-Industrie mit Windrad- und Solarherstellern hat Schweden nicht.
Immerhin zeitigt die »Weg vom Öl«-Strategie erste Erfolge: Zwischen 1990 und 2006 hat Schweden seine CO2-Emissionen um 9 Prozent reduziert und damit seine Selbstverpflichtung aus dem Klimaschutz-Protokoll von Kioto übertroffen
Nadège Figarol ist Journalistin.
Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.
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