Die erneuerbaren Energien – Windräder, Wasserkraftwerke, Solar- und Biogasanlagen – haben laut Bundesumweltministerium Ende 2007 schon knapp 16 Prozent des deutschen Strombedarfs gedeckt. Mittelfristig soll ihr Anteil auf 25 Prozent steigen. Den Löwenanteil speisen dabei die Windkraft (5 Prozent 2006) und die Wasserkraft (3,5 Prozent) ein. Auch die Verbrennung von Biomasse – feste und flüssige Brennstoffe, Biogas, Klärgas – hat mit 2,5 Prozent einen nennenswerten Anteil.
Der Beitrag des Sonnenstroms war dagegen 2006 mit 0,3 Prozent immer noch sehr gering. Das mag erstaunen, weil die meisten Menschen bei erneuerbaren Energien zuerst an Solarzellen denken und ihnen zu den kleinen blauen Zellen viel Positives einfällt: Solarzellen machen keinen Krach, sie fallen kaum ins Auge, die Solarbranche wächst schnell und hat in den vergangenen Jahren Zehntausende Arbeitsplätze in den großen Solarfabriken in Ostdeutschland geschaffen.
Die Windindustrie schafft auch Arbeitsplätze, aber ihre Produkte stehen oft störend in der Landschaft herum, und Talsperren für Wasserkraftwerke zerstören gleich ganze Täler. Auch Biogasanlagen stoßen lokal auf Widerstand, weil die Anwohner sich am Transportverkehr stören und den Gestank aus den Vergärungsanlagen fürchten.
Tatsächlich hat die Solarenergie inzwischen die höchsten Zuwachsraten in Deutschland (plus 56 Prozent Sonnenstrom 2006 gegenüber 2005), während die Windkraft nur moderat wächst (um 11 Prozent) und die Wasserkraft seit fast zwanzig Jahren stagniert – es sind einfach keine Flüsse mehr da, die man noch anstauen könnte, um Strom zu gewinnen.
Trotz ihres schnellen Wachstums wird die Solarenergie in Deutschland aber auch langfristig nur einen geringen Anteil an der Stromproduktion erreichen. Solarzellen bringen in nordeuropäischen Breitengraden wenig Leistung im Vergleich zu dem Aufwand, mit dem sie produziert werden.
Ein guter Gradmesser dafür ist auch der Preis, den der Staat als Vergütung für Solarstrom festgelegt hat. Die Solaranlage auf dem Dach bringt bis zu 50 Cent pro Kilowattstunde (kWh), das Windrad dagegen nur 9 Cent, ähnlich niedrig sind die Beträge für Strom aus Biogas und Wasserkraft.
Doch die erneuerbaren Energien sind aufeinander angewiesen. Nicht nur, weil jede für sich schnell an ihre Grenze stößt – etwa weil keine neuen Flächen für Windparks zur Verfügung gestellt werden oder Sonnenstrom alleine zu teuer wäre –, sondern auch, weil jede für sich zu abhängig von den Schwankungen des Wetters ist: An stürmischen, windigen Tagen, wenn von der Solarzelle nicht viel zu erwarten ist, leisten gerade die Windräder ihr Maximum. An heißen, windstillen Sommertagen fallen die Windkraftwerke aus, dafür liefern die Solarzellen die volle Leistung.
Aus mehreren Windparks, Solaranlagen, Biogasanlagen und einem Wasserkraftwerk hat darum das Institut für solare Energieversorgungstechnik (ISET) in Kassel ein regeneratives Kombikraftwerk zusammengesetzt und getestet. Das virtuelle Kraftwerk sollte nicht nur in der Lage sein, Tag und Nacht eine konstante Strommenge zu liefern.
Denn der tatsächliche Stromverbrauch ist wie eine oszillierende Kurve: Nachts, wenn alles schläft, ist der Stromverbrauch niedrig. Sobald morgens dann überall die Wecker klingeln, die Kaffeemaschinen angehen, die Straßenbahnen losbummeln und in den Büros die Rechner hochfahren, steigt der Strombedarf rapide an. Ein Kraftwerk muss in der Lage sein, genau so viel Strom zu produzieren, wie der Verbrauch vorgibt.
Wie soll das gehen, wenn die Sonne lacht oder nicht und der Wind weht, wie er will? Das ISET hat gezeigt, dass es geht. In seiner virtuellen Anlage arbeiten verschiedene regenerative Kraftwerke zusammen: Ein Windpark an der Nordsee, einer in der Nähe von Berlin und einer bei Aachen. Insgesamt 18 Solaranlagen finden sich verteilt in Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg.
Die Biogaskraftwerke stehen in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Und als kurzfristiger Energiespeicher dient ein so genanntes Pumpspeicherkraftwerk, das mit überschüssigem Strom Wasser in seine höher gelegenen Depots pumpt und es bei Strommangel über eine Turbine wieder hinunterfließen lässt und den Strom zurückgewinnt.
Dass die gesamten Anlagen weit und breit über Deutschland verstreut sind, ist kein Zufall, sondern die wichtigste Idee hinter dem gesamten Konzept. Denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass immer irgendwo der Wind weht und selbst wenn es in Bayern bewölkt ist, in Sachsen vielleicht doch die Sonne scheint. Je weiter regenerative Anlagen auseinander stehen und je besser und verlustärmer sie über das Stromnetz miteinander verknüpft sind, desto gleichmäßiger ist die Stromerzeugung aus dem Anlagenverbund.
Mit ihrem regenerativen Mini-Kraftwerks-Verbund haben die Wissenschaftler in mehrmonatigem Testbetrieb und als Simulation für das gesamte Jahr 2006 bewiesen, dass sie ständig den Strom für eine Kleinstadt mit 11.000 Einwohner liefern können. Doch ihr Anspruch ist höher: Sie wollen zeigen, dass sich auch ganz Deutschland mit regenerativem Strom versorgen lässt – dass man den Regenerativ-Anteil an der Stormversorgung also von 16 auf 100 Prozent steigern kann.
Voraussetzung dafür ist aber, dass Windkraft, Bioenergie und Solaranlagen deutlich ausgebaut werden. Heute liegt der Jahresstrombedarf in Deutschland bei 536 Terawattstunden (TWh), langfristig soll er auf 570 TWh steigen. Um diesen Bedarf zu decken, müssen nach Berechnungen des ISET Windräder mit einer Leistung von 60.000 Megawatt an Land und 30.000 Megawatt auf hoher See stehen. Heute liegt die installierte Leistung bei 22.000 Megawatt an Land und unter 10 Megawatt auf See.
Statt heute knapp einer Million Hektar soll die für Biogas genutzte Fläche auf fast drei Millionen Hektar steigen, und die Fläche der Photovoltaikmodule soll von heute 21 Millionen auf 706 Millionen Quadratmeter wachsen. Die Wasserkraft muss nicht mehr ausgebaut werden. Aber damit diese Anlagen alle zusammen wirken können, müsste das Stromnetz besser werden. Dann, so das ISET, könnte man in Deutschland auf Strom aus Kohle, Gas und Atom verzichten.
Auch wenn das 100-Prozent-Szenario einstweilen noch viele visionäre Elemente enthält – die Forscher am ISET zeigen, dass die Erneuerbaren zuverlässig und berechenbar Strom liefern können, anders als Gas, Kohle oder Uran, bei denen mit plötzlichen Preissprüngen zu rechnen ist.
Gezeigt hat sich auch, dass regenerative Kombikraftwerke umso besser arbeiten, je weiter ihre einzelnen Kraftwerke auseinander stehen. Für die sichere Stromversorgung Europas, das über 3500 Kilometer von Griechenland bis Nordnorwegen reicht und etliche Klimazonen aufweist, ist das eine gute Nachricht.
Marcus Franken ist freier Journalist mit Schwerpunkt Energie- und Umweltreportagen.
Beratung zur Nutzung von erneuerbaren Energien: Klimaschutzagentur Wiesbaden
Nächstes Thema: Bedrohte Umwelt
Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.
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