Die Zukunft unserer Gesellschaften hängt nicht zuletzt von der Energieversorgung ab. Darum dürfen wir die Herausforderung »Sauberer Strom und saubere Wärme« nicht nur unter technischen Gesichtspunkten betrachten und den Experten überlassen. Einige europäische Gemeinden, die selbst Verantwortung übernehmen wollen, haben das Thema Energieverbrauch inzwischen auf ihre politische Agenda gesetzt.
In ganz Europa haben Städte und Gemeinden im Lauf der letzten Jahre zunehmend Eigenverantwortung abgegeben und in Sachen Energieversorgung auf weit entfernte Energiequellen gesetzt. Damit haben sie sich abhängig gemacht. Sie verlassen sich heute in unverantwortlicher Weise auf Ressourcen, die mit ihrer eigenen Lebenswelt keinerlei Verbindung mehr haben. Dabei könnte schon der Blick auf die Waage lehren: Wer sich falsch ernährt oder mehr in sich hineinschlingt, als er verträgt, wird über kurz oder lang krank.
Maßloser Energie-Hunger kann auch zu Kriegen um die Sicherung der Ölversorgung führen, wie sich am Beispiel Irak gezeigt hat. Die von Russland abhängigen Staaten sehen sich inzwischen genötigt, ihre Demokratien zu unterhöhlen, wenn sie weiterhin mit billigem Gas beliefert werden wollen. Die Atomtechnik erzeugt Strom unter hohem Sicherheitsrisiko. Und der Klimawandel wird unabsehbare Folgen für die Menschen haben.
In dieser Welt des ständigen Wachstums – der Bevölkerung, der Wirtschaft, des Energieverbrauchs – nimmt nun auch die Einsicht zu, dass es so unmöglich weitergehen kann. Inzwischen macht sich bis in die internationalen Institutionen hinein ein diffuses Gefühl der Angst breit, auch wenn manche Leute noch immer nicht wahrhaben wollen, dass die Zeiten der unbegrenzt verfügbaren, preiswerten Energie vorbei sind.
Dabei liegt die Lösung vielleicht ganz nah: Die Städte und Gemeinden könnten sich die Verantwortung für ihre Energieversorgung zurückholen. Sie können den Einwohnern, Unternehmern und Arbeitnehmern eine nachhaltige Energieversorgung anbieten.
Im Netzwerk der Energiestädte werden dazu ständig Konzepte ausgetauscht und erprobt. Es geht um geringere Abhängigkeit von den Energiekonzernen, mehr eigenen Handlungsspielraum, Verminderung der Folgen der Klimaveränderung vor Ort und die Einbindung der Bürger in die Suche nach neuen Lösungen.
Eine Vorreiterrolle hat dabei Freiburg im Breisgau übernommen. Die 220.000-Einwohner-Stadt zeigt, wie man erneuerbare Energien effektiv einsetzt: Sechs Windkraftwerke mit je 2 Megawatt Leistung, sechs kleine Wasserkraftwerke mit 9 bis 260 Kilowatt, viele dezentrale Einheiten, die gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen und nicht zuletzt Tausende Quadratmeter Solarthermie und Photovoltaik für heißes Wasser und Sonnenstrom vom Hausdach versorgen einen Teil der Stadt mit Energie.
Selbst auf dem Dach des denkmalgeschützten Rathauses sind Solarzellen angebracht. Und das Freiburger Verkehrskonzept hat dazu geführt, dass weniger als ein Drittel des täglichen Verkehrsaufkommens auf private PKW entfällt.
Auch andere deutsche Gemeinden setzen auf erneuerbare Energie: Das Dorf Jühnde im südlichen Niedersachsen hat es inzwischen geschafft, sich als erste deutsche Gemeinde vollständig selber mit Strom und Wärme aus Wind, Gülle, Holz und Sonne zu versorgen. Und die Solarbundesliga kürte zuletzt das kleine Rettenberg am Aubach in Bayern zu Deutschlands Gemeinde mit der höchsten Solarleistung pro Einwohner.
Zum Verbund der Energiestädte gehört auch die schwedische Gemeinde Växjö mit 77.000 Einwohnern. Hier wird bereits ein Viertel des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt, bis 2010 sollen es 50 Prozent sein.
Zur Zeit sorgt ein umfangreiches Fernheizsystem dafür, dass 84 Prozent der privaten und kommerziellen Verbraucher ihre Wärme aus moderner Holzverbrennung beziehen. Und mehr als ein Drittel des Stroms erzeugen Windräder, Solar- und Biogasanlagen.
Auch Güssing, ein 4000-Einwohner-Bezirk im österreichischen Burgenland, bemüht sich seit siebzehn Jahren um Energieautonomie. Inzwischen bezieht der Ort seine gesamte Energie aus erneuerbaren Quellen. Wärme und Strom werden sogar exportiert, um 18.000 Menschen in dem 30.000 Einwohner zählenden Landkreis zu versorgen. Der Gemeinde hat das Umweltkonzept einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht – und einen regelrechten Umwelttourismus.
Gérard Magnin ist Sprecher von Energie-Cités (europäische Gemeinden für nachhaltige Energiepolitik, www.energie-cites.eu).
Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.
© 2007
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