Das Afrika der großen Seen: nach dem Genozid

Politische Gewalt und ethnisch motivierter Hass haben in der zentralafrikanischen Region der Großen Seen besonders viele Opfer gefordert. Das Resultat von fünfzehn Jahren Barbarei sind fast 5 Millionen Tote im Kongo, in Ruanda und Burundi. Weiterhin finanzieren sich die Milizen durch die in den Industrieländern begehrten Bodenschätze. Die Demokratisierung macht nur langsam Fortschritte.

Verfall der Staaten

Die 1990er-Jahre waren im ostafrikanischen Seengebiet von schrecklichen Bildern geprägt. Die Plünderungen und Zerstörungen, die Ausbreitung bewaffneter Gruppen, der fortschreitende Verfall der Staaten schienen kein Ende zu nehmen.

Stabilisierungsbemühungen der Großmächte

Doch jetzt ist ein Wendepunkt erreicht. Die Großmächte wollen nicht mehr zulassen, dass die Region zum Hinterland für terroristische Gruppen und Schmuggelringe wird, und übernehmen die Stabilisierungsbemühungen selbst. Die UNO engagiert sich in Burundi und in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo, früher Zaire), und die EU finanziert Wahlen und Entwicklungsprogramme.

Auch Südafrika, das seine regionale Führungsrolle behaupten und für seine Bergbauindustrie neue Auslandsmärkte erschließen will, hat sich ganz bewusst in die Friedensverhandlungen in Burundi und der DR Kongo eingeschaltet.

Einmischung Ruandas in die Politik der DR Kongo

Ruanda, das 1994 nach dem Völkermord am Boden lag, hat sich rasch wieder gefangen. Statt auf Hilfsaktionen angewiesen zu sein, setzt man heute auf Entwicklungsprogramme. Das früher zum französischen Einflussgebiet gehörende Land wird neuerdings stark von den Amerikanern und Briten unterstützt. Es hat sich eine neue Verfassung gegeben, in der jeglicher »Divisionismus«, also jeder Bezug auf ethnische Kriterien abgeschafft ist.

2004 wurde Paul Kagame mit 95 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Obwohl es formell ein Mehrparteiensystem gibt, regiert die Ruandische Patriotische Front (FPR) das Land mit eiserner Hand. So konnte Ruanda zwar eine politische Stabilisierung und ein zügiges Wirtschaftswachstum erreichen, aber zugleich mischt sich das Land permanent in die Politik der DR Kongo ein und beteiligt sich am hemmungslosen Raub der im Ostteil des Nachbarlandes lagernden Bodenschätze (Gold, Zinn, Tantal).

Die Bodenschätze des Kongo
Foto: © Le Monde diplomatique

Uganda verweist auf Rebellengruppen

Wie die Regierung in Ruanda verweist auch die in Uganda auf Rebellengruppen, die angeblich aus dem Kongo heraus operieren, um für sich ein Recht auf Einmischung in die Politik des Nachbarlandes zu reklamieren. Unter diesem Vorwand setzt Uganda seine Waffenlieferungen an Milizen auf kongolesischem Boden fort, damit es weiter die Bodenschätze, wie etwa das Gold der Provinz Ituri, ausbeuten kann.

Machtverteilung zwischen Hutu und Tutsi

Auch in Burundi liegt eine Verflechtung der Konflikte vor, weil die Hutu-Rebellen von der DR Kongo aus das Territorium von Burundi angriffen. Diese Hutu aus Burundi hatten sich den Hutu angeschlossen, die aus Ruanda geflüchtet waren, wo viele von ihnen an dem Genozid mitgewirkt hatten. In Verhandlungen unter der Schirmherrschaft Nelson Mandelas und danach Thabo Mbekis wurde Burundi gezwungen, eine Machtverteilung zwischen Hutu und Tutsi auszuhandeln. Die beinhaltet sogar die Gründung einer gemischten Armee, in der auch Kämpfer der ehemaligen Rebellengruppen dienen.

Dank der Anwesenheit einer UN-Friedenstruppe konnten dann im Sommer 2005 die Kommunal- und Parlamentswahlen ungestört über die Bühne gehen. Die meisten Sitze errangen dabei die Forces pour défence de la démocratie (Kräfte für die Verteidigung der Demokratie), also die Bewegung, die 1993 nach der Ermordung von Präsident Melchior Ndadaye, eines Hutu, durch Tutsi-Militärs den bewaffneten Kampf aufgenommen hatte.

Migration und Ökologie (links) sowie der Faktor Gold (rechts)
Foto: © Le Monde diplomatique

Westmächte ermöglichen Neubeginn für DR Kongo

In der DR Kongo, wo die 2003 offen gebliebene Machtfrage 2006 durch Wahlen geklärt werden soll, stellen sich schier unlösbare Aufgaben: Die im Lande stationierte 15.500 Mann starke Blauhelmtruppe (Monuc) ist mit einem Budget von über einer Milliarde Dollar die teuerste UN-Mission überhaupt. Die Organisation von Wahlen in einem Land, das so groß wie Westeuropa ist und über kein nennenswertes Verkehrs- und Kommunikationsnetz verfügt, ist ein logistischer Albtraum.

Gleichwohl gibt es den konkreten Willen, dem kongolesischen Staat einen Neubeginn zu ermöglichen, der im Übrigen von allen Westmächten mitgetragen wird. Die Schreckensbilanz einer langen Reihe von Krisen und Kriegen hat die internationale Öffentlichkeit aufgerüttelt. Aber die westlichen Regierungen wünschen sich, auch angesichts der absehbaren Konkurrenz Indiens und vor allem Chinas, stabile politische Rahmenbedingungen für eine rationelle Ausbeutung der erheblichen Bodenschätze, bei der sie freilich mit der Konkurrenz Südafrikas rechnen müssen.

Rebellengruppen als Hindernis für Stabilisierung

Die Stabilisierung des Kongo setzt allerdings die Befriedung der Ostprovinzen voraus. Doch dort stehen weiterhin Rebellengruppen, die von den Nachbarländern Ruanda und Uganda bewaffnet werden. Diese Gruppen können die Wahlen jederzeit behindern.

Autor: Colette Braeckman

Colette Braeckman ist Journalistin beim »Soir« in Brüssel und Autorin von »Les Nouveaux Prédateurs. Politiques des puissances en Afrique centrale«, Paris (Fayard) 2003.

Mehr Informationen zu dem Thema:

Berichte aus dem Kongo

Ökumenisches Netz Zentralafrika

Beiträge zum Kongo der AG Friedensforschung der Uni Kassel

Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.

© 2006

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