Die Wirtschaftswissenschaft definiert »öffentliche Güter« als »nicht exklusive« Güter. Potenziell sind sie also ohne Unterschied und »konkurrenzlos« für alle verfügbar.
Wenn die eine Gruppe von einem öffentlichen Gut profitiert, bedeutet dies nicht, dass einer anderen der Zugang zu ihm verwehrt werden darf. Dieses Konzept kann auch im globalen Maßstab »gedacht« werden.
Global public goods werfen grundlegende Fragen auf: über den Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung, über die Nutzung der biologischen Vielfalt, über internationale Vereinbarungen zum Luft- oder Seetransport, über das Internet, die Ozonschicht und vieles andere mehr.
Bei einigen dieser Güter handelt es sich um natürliche Ressourcen, die es in ihrem Reichtum und ihrer Schönheit zu erhalten gilt. Andere sind von Menschen gemacht und müssen weiterentwickelt werden. Allen diesen Gütern gemeinsam ist, dass Markt und Wettbewerb häufig dazu führen, dass sie eben nicht geschützt, sondern Gegenstand privater Nutzung und Ausbeutung sind.
Dies kann dazu führen, dass sie irgendwann zerstört, verbraucht oder beschädigt sind oder dass künstliche Zugangs- oder Zugriffsbeschränkungen verhängt werden.
Die tragischen Folgen zeigt das Beispiel der Medikamente, die als Generika preiswert hergestellt werden können: Viele sind durch Patente geschützt und deswegen so teuer, dass sie im Gesundheitssystem mancher armer Länder nicht eingesetzt werden können.
Das zweite Charakteristikum der global public goods ist das Fehlen eines institutionellen Rahmens, der ihre Verwendung bestimmen müsste.
Nationale öffentliche Güter können durch Gesetze und andere staatliche Maßnahmen geschützt und damit erhalten oder durch öffentliche Mittel produziert werden. Auf globaler Ebene gibt es hingegen bisher keine Organisation, die Streitigkeiten zwischen Nationen über die global public goods schlichten könnte oder Bedingungen zur Herstellung dieser Güter schafft.
Um den Raubbau an der Biodiversität durch Großunternehmen – vor allem durch die Pharmaindustrie – zu verringern, wird von einigen Fachleuten vorgeschlagen, Heilpflanzen unter einen von der UNO verwalteten Schutz des geistigen Eigentums zu stellen.
So würden die Schätze der Natur aufgewertet, und ein finanzieller Rückfluss könnte den Erhalt der Ressourcen gewährleisten.
Doch dieser Weg bringt keineswegs die erwarteten Ergebnisse. Im Gegenteil: Indem diese Güter einigen Einzelpersonen oder Institutionen übertragen werden, die sie »fruchtbar machen« sollen, besteht für andere nur noch eine Nutzungsmöglichkeit gegen Entgelt. Die internationalen Abkommen über die Rechte am geistigen Eigentum tragen so zur Privatisierung des öffentlichen Sektors bei.
Optimistischer stimmen die Erfahrungen mit dem Internet und freier Software. Sie zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen öffentliche Ressourcen von globalem Interesse auch aus dem Zusammenwirken der verschiedenen privaten und öffentlichen Akteure entstehen können. Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, ein weiteres großes technisches und wissenschaftliches Abenteuer des späten 20. Jahrhunderts, mündete ebenfalls in die Übertragung aller Resultate in die public domain, die Gemeinfreiheit.
Lässt sich das verallgemeinern? Manche öffentliche Güter erfordern nicht nur hohe Investitionen, sondern auch einen rechtlichen Rahmen, der eine zuverlässige Aufsicht garantiert. Es gilt also, neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln. Die Vereinten Nationen sind ein wichtiger Rahmen für die Diskussion genau dieser Fragen.
Doch die vielfältigen Bemühungen, die Vertreter der Zivilgesellschaft, also Nichtregierungsorganisationen und unterschiedliche Interessengruppen, in die Debatten einzubeziehen, scheitern immer wieder am Wesen dieser Organisation, die als Staatenbund nur Staaten die Mitgliedschaft ermöglicht.
Sind die global public goods nun mehr als ein neues Wort im Kauderwelsch der internationalen Institutionen? Wo kann das Konzept eine mobilisierende Wirkung entfalten? Die Geschichte lehrt, dass öffentliche Güter nicht als solche vom Himmel fallen. Jedes einzelne war Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen, bis es zunächst überhaupt anerkannt war und schließlich Mittel und Wege gefunden wurden, es vor den Angriffen des Marktes zu schützen.
So konnte die soziale Sicherheit – da, wo es sie gibt, eindeutig ein nationales öffentliches Gut – sich erst nach einem Jahrhundert gesellschaftlicher Kämpfe entwickeln. Dazu gehörte in Frankreich auch der Aufbau von wohltätigen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, die sich mit Berufsverbänden zusammenschlossen und als »Mutuelles« Schritt für Schritt selbst Teil des nationalen Systems sozialer Sicherheit wurden.
In Deutschland entstand mit den Kredit-, Wohnungsbau- und Konsumgenossenschaften ein gemeinwirtschaftlicher Sektor, der zum Teil als gemeinnützig anerkannt ist – insbesondere wenn er die Bevölkerung mit preiswertem Wohnraum versorgt.
Damit Güter zu global public goods werden, bedarf es ihrer gesellschaftlichen Nachfrage, der Bestimmung von verantwortlichen Institutionen und einer Menge Erfahrung. Ein solcher Prozess muss bei jedem neuen »globalen öffentlichen Gut« aufs Neue in Gang gesetzt werden.
Philippe Rivière ist Journalist bei „Le Monde diplomatique“.
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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.
© 2006
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