Den Grundstein des Einzelhandelsriesen Wal-Mart, der allein in den USA jede Woche mehr als 130 Millionen Kunden bedient, legte Sam Walton 1962 mit einem kleinen Lebensmittelladen in Bentonville im armen US-Bundesstaat Arkansas. Heute sind die Walton-Erben mit einem Vermögen von 90,7 Milliarden Dollar doppelt so reich wie der 46,5 Milliarden Dollar schwere Bill Gates. Wie konnte das gelingen?
Mittlerweile versuchen die meisten Unternehmen, durch »Just in time«-Lieferung ihre Lagerkosten gering zu halten, doch angefangen hat damit Wal-Mart. Das größte Unternehmen der Welt revolutionierte zunächst die Methoden der Lagerhaltung. Die 7.100 firmeneigenen Laster sorgen u. a. dafür, dass nicht in einer Filiale Ware liegen bleibt, die in einer anderen fehlt und verkauft werden könnte.
Die Logistik des Konzerns setzt auch auf Einzelheiten: Wenn jeder Wal-Mart-Laster einen Kilometer mehr pro verbrauchtem Liter Benzin fährt, dann spart das dem Unternehmen 50 Millionen Dollar pro Jahr – und bringt ihm obendrein das Image der Umweltfreundlichkeit ein.
Nach und nach breitete sich die Firma aus Bentonville über die Grenzen von Arkansas hinaus aus, zunächst in die von der Konkurrenz schmählich vernachlässigten ländlichen Regionen im Süden der USA. Sie reinvestierte ihre Gewinne (2005 waren es mehr als 10 Milliarden Dollar) in die geografische Expansion.
Dank der Nordamerikanischen Freihandelszone Nafta eröffnet Wal-Mart 1991 erste Geschäfte in Mexiko, seit 1994 sind die Supermärkte auch in Kanada zu finden. 1995 folgen Brasilien und Argentinien, 1996 China, 1998 Deutschland und 1999 Großbritannien.
Auf 5.000 Supermärkten weltweit prangt heute das Logo des Multis. Die nächste Hürde, die sich Wal-Mart vorgenommen hat, ist Indien mit seinen derzeit 12 Millionen kleinen Einzelhändlern, von denen die wenigsten rentabel arbeiten. Denn schließlich schwächelt der US-Markt, auf dem das Unternehmen noch 80 Prozent seiner Umsätze macht.
Da Wal-Mart seine Zulieferer immer dort sucht, wo die Arbeitskraft am billigsten ist und am meisten ausgebeutet wird, profitierte das Unternehmen von der Öffnung der Märkte, zu der Washington von seinen befreundeten Partnerländern, aber auch durch das Gatt-Abkommen und später die WTO gedrängt wurde. Doch das ist nur einer von vielen Punkten, an denen der eminent politische – und durch die Politik erzeugte – Charakter der Wal-Mart-Erfolgsgeschichte zutage tritt.
Präsident George Bush senior verlieh Sam Walton 1992 die höchste Auszeichnung, die ein Zivilist in Amerika bekommen kann. Auch sein Nachfolger Clinton war diesem anderen Spross aus seiner Heimat Arkansas gegenüber immer äußerst zuvorkommend. Und George W. Bush schließlich kann sich stets darauf verlassen, dass der Multi Wal-Mart den Großteil seiner Parteispenden den Republikanern zukommen lässt.
1947 hatte Friedrich Hayek, der berühmte Theoretiker des Liberalismus, erklärt: »Wenn wir die leiseste Hoffnung auf eine Rückkehr zur freien Wirtschaft hegen wollen, ist eine der wichtigsten Fragen die nach der Beschränkung der Macht der Gewerkschaften.«
Bei Wal-Mart ist diese Frage längst geklärt: Sobald sich die Beschäftigten einer Filiale in den USA nach einer harten betrieblichen Auseinandersetzung dazu durchringen, sich einer Gewerkschaft anzuschließen, wird die Filiale geschlossen.
Das Unternehmen, bei dem mehr als ein Prozent aller amerikanischen Erwerbstätigen arbeiten, trägt damit das Seine zum Rückgang der gewerkschaftlichen Organisation bei. Dieser Rückgang ist jedoch häufig die Voraussetzung für eine Politik des Lohnabbaus.
Und obwohl im US-Gesetz das Recht, sich gewerkschaftlich zusammenzuschließen, verbrieft ist, ergreifen weder die regierenden Republikaner noch die Demokraten irgendwelche rechtlichen Schritte gegen diese Methoden.
Auch der Wandel der Wirtschaft im Westen – Rückgang der industriellen Produktion und Aufschwung des Dienstleistungssektors – stärkt das Modell Wal-Mart. Jedes Mal, wenn eine Automobilfabrik geschlossen und ein Supermarkt eröffnet wird, geht ein Stück Arbeitertradition verloren, an die Stelle von angemessenen Löhnen tritt Lohndumping, und der Trend zur prekären Beschäftigung verschärft sich.
Der Einzelhandelsmulti Wal-Mart ist inzwischen nicht zuletzt dafür bekannt, dass er Gehälter zahlt, die knapp über dem Existenzminimum liegen, den Schutz seiner Angestellten vor Krankheit und anderen Lebensrisiken aber nach Möglichkeit auf die Sozialämter abwälzt.
Serge Halimi ist stellvertretender Chefredakteur von „Le Monde diplomatique“ und Autor von „Les Nouveaux Chiens de garde“, Paris (Raisons dagir) 2005.
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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
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