Die Welt aus der Sicht Tokios

Außenpolitisch hat Japan hauptsächlich den asiatischen Kontinent im Blick. Aber auch andere Regionen werden interessant. Vor allem als Geldgeber in der Entwicklungshilfe und durch mehr Präsenz in den internationalen Organisationen verstärkt Japan sein Gewicht.

»unsinkbarer Flugzeugträger« der USA

Es gab eine Zeit, da präsentierte der japanische Premierminister Nakasone sein Land als den »unsinkbaren Flugzeugträger« der USA. Anfang der 1980er-Jahre, mitten im Kalten Krieg, schockierte eine solche Äußerung kaum – außer vielleicht die Sowjets, die befürchteten, das Land der aufgehenden Sonne könnte ihnen die Durchfahrt zwischen dem Ochotskischen Meer und dem Pazifik versperren.

»Schicksalsgemeinschaft« zwischen Tokio und Washington

Die Japaner waren von den sowjetischen Expansionsbestrebungen beunruhigt, vom Einmarsch in Afghanistan ebenso wie von der Stationierung von SS-20-Raketen in Sibirien. Zugleich wollten sie ihre wirtschaftliche Entwicklung ohne die Last von Militärausgaben fortsetzen. So sahen sie keinen Grund, das seit 1952 bestehende Militärbündnis mit den USA infrage zu stellen, und glaubten sogar, es noch ausbauen zu können. Und als Nakasone von einer »Schicksalsgemeinschaft« zwischen Tokio und Washington sprach, wusste jeder, dass er eine unverbrüchliche Bindung an die USA meinte, in deren Windschatten es international häufiger aufzutreten gedachte.

Überdenken der Außenpoltik

Die Handelsstreitigkeiten mit dem Partner, der Druck aus den USA, für die eigene Sicherheit tiefer in die Tasche zu greifen, aber auch der Zusammenbruch der Sowjetunion setzten Nakasones Ambitionen ein Ende. Hinzu kam, dass 1990 die Spekulationsblase im japanischen Immobiliengeschäft platzte und die Volkswirtschaft in die tiefste Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stürzte.

Japan musste seine Außenpolitik überdenken und seinen Platz im internationalen Geschehen neu definieren – eine schwierige Aufgabe angesichts der engen Bindungen an Washington und einer Friedensverfassung, die dem Land verbietet, eine eigene Armee zur Kriegsführung zu unterhalten.

Umstrittene Kurilen
Foto: © Le Monde diplomatique

Ambitionen zum größten Geberland für Entwicklungshilfe zu werden

In Zukunft möchte Tokio seine Stimme in den internationalen Organisationen stärken, um seine Interessen durchzusetzen. Dabei setzt es vor allem auf seine Finanzmacht und wählt dazu den Umweg der öffentlichen Entwicklungshilfe.

Seit Premierminister Takeshita 1988 erklärt hat, er wolle Japan zum weltweit größten Geberland für die Entwicklungshilfe machen, hat es große Anstrengungen in diese Richtung unternommen.

Ausgeglichenere Außenpoltik durch Afrikahilfe

Die marode Verfassung der öffentlichen Finanzen hat Japan zwar gezwungen, die zur Verfügung gestellte Summe zurückzufahren – sie lag 2004 mit 8,9 Milliarden Dollar bei nur 0,19 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dennoch ist sich die amtierende Regierung der Nützlichkeit dieser Politik bewusst. Sie hat die Zielgebiete nach und nach auf afrikanische und lateinamerikanische Länder ausgedehnt, die lange zugunsten Asiens vernachlässigt worden waren.

Die von Japan initiiersten Internationalen Konferenzen für die Entwicklung Afrikas (Ticad I 1993, Ticad II 1998, Ticad III 2003) in Tokio bestätigen den Willen zu einer ausgeglicheneren Außenpolitik. Premierminister Koizumi hat im Übrigen erklärt, sein Land wolle die Afrikahilfe, die derzeit mit 530 Millionen Dollar 8,8 Prozent der Entwicklungshilfe ausmacht, bis 2008 verdoppeln.

Große Übersichtskarte
Foto: © Le Monde diplomatique

Priorität der asiatischen Länder

Parallel zu diesen Bemühungen räumt die japanische Politik den asiatischen Ländern weiterhin Priorität ein. Sowohl strategisch als auch ökonomisch ist der Ferne Osten für das Land die entscheidende Region. Die Verbrechen der kaiserlichen Armee im Zweiten Weltkrieg haben in Korea und China schmerzliche Erinnerungen hinterlassen.

Beide Länder sparen übrigens nicht mit Hinweisen auf diese belastende Vergangenheit, um vor einem möglichen Wiederaufleben von Nationalismus und Militarismus in Japan zu warnen – und sie können dabei auf das Verhalten zahlreicher politischer Führungskräfte verweisen, die sich bis heute weigern, die japanischen Kriegsverbrechen anzuerkennen.

Japan als »kleiner Vollzugsgehilfe« der USA

Der kräftige Aufschwung der chinesischen Wirtschaft und Pekings Streben nach einer Vormachtstellung in Asien und nähren neue Spannungen zwischen den beiden Staaten. Chinas Widerstand gegen eine Beförderung Japans zum Ständigen Mitglied des UN-Sicherheitsrats ist den Beziehungen nicht gerade förderlich und trägt dazu bei, Japan in der Rolle des »kleinen Vollzugsgehilfen« der USA zu halten. Dabei möchte es mit gleichem Recht wie die wichtigsten Staaten der Europäischen Union als Mittelmacht anerkannt werden.

Autor: Odaira Namihei

Odaira Namiheiist Journalist.

Mehr Informationen zu dem Thema:

Minstry of Foreign Affairs Japan

Economical and Social Research Institute

Tokyo Progressive

Kyoto Journal

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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.

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