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02.-04.11.2019: Ankunft in Bolivien

Ich lebe in einer surrealen Welt - Vor wenigen  Tagen war ich in einem urigen Wirtshaus in Wiesbaden-Auringen mit Landwirten, Lokalpolitikerinnen, Mitarbeiter des Umweltamtes, vielen Steuobstfreunden und jetzt hier, in Bolivien, einem Land, dass von Unruhen erschüttert wird.

Die Ankunft

Die Bilder, die wir abends in der Tageschau sehen, ich bin nun mittendrin. Die Fahrt vom Flughafen zum Hotel war ein Abenteuer: Erst Taxi, dann Bloqueo = Straßensperre, weiter zu Fuß, dann auf einem zerschlissenen Motorrad, mein Koffer vorne, dann der Fahrer, dann ich. Immer wieder absteigen, Straßensperren umgehen, kleine Wege fahren, Leute fragen, wo der Weg noch frei ist, weiter. Das alles bei 35 Grad im Schatten. Wir kamen dann zum Hotel, schließlich abends, 20.00 Uhr und 30 Grad warm, meine Haut taut auf und meine Seele auch ein wenig. Ab und zu ertönen Schüsse von weit her. Erst hatte ich Angst, doch die Menschen bei den Straßensperren zünden Feuerwerke, sie bewachen auch nachts ihre Bloqueos.

Politik unter Druck

Am nächsten Tag hielt es mich nicht im Hotel, sondern zog mich raus auf die Straßen, die autoleer sind. Die Menschen gehen zu Fuß, ein Paar kommen mit dem Fahrrad, ab und zu Motorräder. Jugendliche haben sich ein neues Geschäftsmodell ausgedacht: Sie stehen mit Schubkarren vor dem Supermarkt und bieten sie als Alternative zum Auto an. Ich komme zu einer Kreuzung, keine Straße ist passierbar, überall steht etwas quer: Autos, Reifen, Bretter, Holz, was auch immer. Es sind Nachbarn, die sich organisieren und dann den Tag über im Schatten sitzen und aufpassen, dass niemand passiert.

Ich frage vorsichtig, ob ich fotografieren darf und höre überall „Ja, bitte, erzähle der Welt, was hier geschieht.“ Ich spreche eine Gruppe von Frauen an, die unter einem Zelt sitzen. Mein wackeliges Spanisch wird gleich von zwei Frauen mit Deutsch beantwortet. Die Frauen sitzen hier seit 11 Tagen und wollen nicht weichen, erst wenn sich die politische Lage geändert hat. Schnell kommt der Gedanke auf, ein Video von Ihnen zu machen, gesagt getan. Zum Schluss rufen sie zusammen „Wir wollen in Freiheit leben.“ Zum Video.

Der Drang nach Freiheit

Dieser Drang nach Freiheit ist stark, überall auf der Welt und es gibt mittlerweile so viele Beispiele und Regionen, wie Europa, wo dies gelebt wird, dass sich diese Bilder nicht mehr zurücknehmen lassen. Erdogan, Putin, Chavez und Morales sind Momentaufnahmen, wie ein Aufbäumen einer alten (männerdominierten) Epoche, die untergehen wird. Davon bin ich überzeugt. Auch Donald Trump zähle ich dazu. Doch in diesen Verwerfungen tut sich eine neue Frage auf: Wie muss Demokratie gestaltet sein, um solchen Missbrauch, wie der Missbrauch der Demokratie von den eben genannten Herren, nicht vorkommt, nicht vorkommen kann. Was braucht es für Institutionen, was für Mechanismen, um solchen Machtmissbrauch einzudämmen, ein Riegel vorzubauen, bevor je-mann-d überhaupt auf dumme Gedanken kommt?

Partizipativer Prozess

Ich glaube Partizipation und Transparenz können wichtige Schlüssel sein. Daher auch der Versuch von Naturefund mit dem partizipativen Prozess zum Thema EU-Agrarreform. Vielleicht ist das ein Weg? Wir werden es sehen.

Herzliche Grüße aus tropischen Nächten, in denen immer wieder Feuerwerke gezündet werden.

Katja

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