Mehr als eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser, und 2,6 Milliarden müssen ohne Wasserversorgung und Abwassersystem auskommen. Aus Wassermangel starben allein im Jahr 2000 über zwei Millionen Menschen an Krankheiten wie Durchfall, Malaria und Darmwürmern – vor allem Kinder unter fünf Jahren. Millionen Frauen verbringen täglich mehrere Stunden mit der Wasserbeschaffung.
Dabei ist Wasser die Substanz, von der es auf der Erde am meisten gibt, aber nur 2,53 Prozent davon sind Süßwasser, von denen wiederum zwei Drittel in Gletschern und dauerhaften Schneeflächen gebunden sind.
Von Wassermangel sind die Bewohner der ärmsten Weltregionen besonders hart betroffen. Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) fordert die Anerkennung eines Grundrechts auf 20 Liter sauberes Wasser pro Person und Tag, kostenlos für die Ärmsten. Die UN haben sich außerdem in den Millenniumszielen dazu verpflichtet, bis 2015 den Anteil der Menschen zu halbieren, die kein sauberes Trinkwasser haben. Von beiden Zielen sind wir weit entfernt.
Wegen Wassermangel gehen weltweit an die 450 Millionen Schultage pro Jahr verloren. Afrika verliert dadurch jedes Jahr 5 Prozent seines Bruttoinlandprodukts. Der erste UN-Weltwasserbericht (2003) konstatiert: »Es wird auf brutale Weise klar, dass die wirklich Armen unter einer Kombination der meisten, wenn nicht gar aller Probleme im Wassersektor leiden.«
In den ländlichen Gebieten würde eine bessere Wasserversorgung 850 Millionen der von Unterernährung und den Folgen des Klimawandels betroffenen Menschen helfen. Die UN fordern alle Staaten auf, dem Wasserproblem oberste Priorität einzuräumen, und verlangen zusätzliche Hilfen von 4 Milliarden Dollar.
Ein Hauptgrund für den Mangel ist die rasante und ungeplante Urbanisierung. Brot für die Welt rechnet vor, dass die städtische Bevölkerung pro Jahr weltweit um 60 Millionen Menschen wächst. Von den heute 25 Städten mit mehr als 10 Millionen Einwohnern liegen nur drei in Industrieländern.
Durch marode Leitungen gehen in Entwicklungsländern 30 bis 40 Prozent des Wassers verloren. Unter Neu-Delhi, Jakarta, den Städten Lateinamerikas und Chinas sinkt der Grundwasserspiegel jährlich um einen Meter. Wasserversorgung und Abwassersysteme kommen mit dem Wachstum der Städte nicht mit, schon gar nicht in den Slums.
Der katastrophale Wassermangel ist vor allem ein politisches Problem. Im zweiten Weltwasserbericht von 2006 heißt es: »Wassermangel ist oft auf Missmanagement, Korruption, das Fehlen angemessener Institutionen, Behördenträgheit und mangelnde Investitionen in Menschen und Infrastruktur zurückzuführen.«
Obwohl Wasser der Schlüssel zur sozialen und ökonomischen Entwicklung ist, berücksichtigen die wenigsten armen Länder das Thema in ihren Haushaltsplanungen. Pakistan etwa gibt fünfzigmal so viel Geld für Militär aus wie für Investitionen in die Wasserversorgung. Immerhin haben einige schnell wachsende Entwicklungsländer wie Brasilien, China und Indien das Problem inzwischen erkannt. Initiativen wie die Nutzung von Regenwasser für die Landwirtschaft könnten Vorbild für andere Staaten sein.
Gleichzeitig gehen weite Teile der Welt verschwenderisch mit ihrem Wasser um. Die Landwirtschaft ist der größte Wasserkonsument, auf sie entfallen nach Angaben der Weltbank 70 Prozent des weltweiten Verbrauchs. 22 Prozent fließen in die Industrie, 8 Prozent in private Haushalte.
Die Produktion eines Kilos Weizen verbraucht 1500 Liter Wasser, ein Kilo Industriefleisch fast 10.000 Liter. Die Landwirtschaft verbraucht nicht nur viel Wasser, sie stört auch die Regeneration der Wasserreserven: Im letzten Jahrhundert ging laut UN-Wasserbericht durch Rodung und Trockenlegung zugunsten neuer Anbauflächen die Hälfte aller Feuchtgebiete verloren.
Verschwenderischer Umgang mit dem Wasser hat auch in Europa und Nordamerika zu Engpässen geführt. In Europa wird heute sechsmal so viel Wasser verbraucht wie 1950. Besonders im Süden (Griechenland, Italien, Portugal und Spanien) sinken die Grundwasserspiegel. An den Küsten, etwa in den touristischen Regionen Spaniens und Italiens, ist der Wasserverbrauch so hoch, dass bereits Salzwasser ins Grundwasser eindringt.
In den reichen Ländern ist außerdem der Anteil der Industrie am Wasserverbrauch mit 59 Prozent viel höher als im weltweiten Durchschnitt. Hinzu kommt, dass Pestizide, Industrieabwässer und Medikamentenrückstände die Trinkwasserversorgung belasten. Und die galoppierende Urbanisierung sowie das Zubetonieren großer Flächen versiegeln die Böden, was verstärkt zu Hochwasser und Überschwemmungen führt. Auch die Klimaerwärmung wirkt sich durch den Rückgang der winterlichen Schneefälle und die viel früher einsetzende Tauperiode im Frühjahr deutlich auf die lokalen Wasserreserven aus.
Es wird fortan unerlässlich sein, das vorhandene Wasser besser zu nutzen, vor allem in Ländern, die technisch und finanziell nicht in der Lage sind, andere Ressourcen anzuzapfen. Jeder Tropfen Wasser muss intensiver genutzt werden, um mit ihm mehr landwirtschaftliche Produkte zu gewinnen. Das lässt sich erreichen, indem man das Regenwasser optimal nutzt, Getreidearten fördert, die wenig Wasser brauchen, oder sparsame Bewässerungstechniken und Dammsysteme entwickelt. In Nordeuropa kommen bereits viel weniger Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Und Deutschland steht an der Spitze bei der Wiederverwendung von Regenwasser.
Auch für die reichen Länder gilt also: Investitionen in die immer kostspieligere Schadensbegrenzung ließen sich vermeiden, wenn Feuchtgebiete besser geschützt und der natürliche Wasserkreislauf weniger gestört werden würden.
Marc Laimé, Journalist und Autor von »Le Dossier de l’eau. Pénurie, pollution, corruption«, Paris (Seuil) 2003.
Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.
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