Die letzten Stunden des Klimagipfels auf der indonesischen Insel Bali waren dramatisch. Die Nerven der Delegierten lagen blank, viele schrien, einige weinten. In der Nacht vom 14. auf den 15. Dezember 2007 standen sich noch einmal die alten Fronten gegenüber: USA gegen Europa, Industrieländer gegen Entwicklungsländer, Ölförderstaaten gegen Ölimporteure. In den frühen Morgenstunden gab die US-Delegation ihren Widerstand endlich auf: »Wir treten dem Konsens bei«, sagte deren Chefunterhändlerin erschöpft, und der Vorsitzende der Klimakonferenz jubelte: »We have a Roadmap« – einen Fahrplan für die künftigen Klimaverhandlungen.
Wie ist es dazu gekommen? 1992 hatte die Weltgemeinschaft zum ersten Mal verbindlich vereinbart, gegen den vom Menschen verursachten Klimawandel vorzugehen. 1997 einigten sich dann in Kioto die Abgesandten von 179 Staaten darauf, ihre Treibhausgasemissionen bis 2012 gegenüber 1990 um 5,2 Prozent zu senken. Dieses Übereinkommen trat in Kraft, als Russland nach langem Zögern 2004 den Vertrag schließlich unterzeichnet hatte.
Im Kioto-Protokoll verpflichteten sich die Staaten der Welt zu sehr unterschiedlichen Minderungszielen. Die EU will ihre CO2-Emissionen bis 2012 um 8 Prozent senken, Kanada und Japan um 6 Prozent. Andere Staaten wie Australien dürfen ihre Emissionen dagegen um 8 Prozent erhöhen. Die Entwicklungsländer in Afrika sowie Indien und China haben keine Auflagen akzeptiert. Auch in der EU haben die Länder unterschiedliche Ziele: Die höchsten Vorgaben haben Deutschland und Dänemark, die ihre Emissionen um 21 Prozent reduzieren müssen.
Doch die Bilanz nach zehn Jahren Kioto ist ernüchternd. Zwar emittieren einzelne Länder wie Russland durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch viel weniger als sie dürften. Japan und Australien übertreffen ihre selbst gesetzten Ziele dagegen deutlich. Und selbst die EU dürfte ihre Vorgaben bis 2012 kaum noch erreichen.
Mit der Folge, dass die nicht abnimmt, sondern weiter steigt: 2005 erreichte sie den Rekordwert von 379 Teilchen pro Million Luft-Moleküle (parts per million, ppm) gegenüber 280 ppm am Beginn der industriellen Revolution. Die Klimaexperten gehen inzwischen davon aus, dass ein Temperaturanstieg von weltweit 2 Grad nicht mehr zu vermeiden ist.
Da das Kioto-Protokoll 2012 ausläuft, muss die Welt sich auf neue Ziele einigen. Die Konferenz von Bali im Dezember 2007 sollte klären, was für »Kioto II« ansteht: Soll man das bisherige System fortschreiben und neue Reduktionsziele bis 2017 oder 2020 festlegen? Oder brauchen wir ein ganz anderes Abkommen? Für die Unterhändler auf Bali kam es zunächst und vor allem darauf an, dass endlich auch die USA, die immerhin für 18 Prozent der weltweiten Klimaemissionen verantwortlich sind, beim Klimaschutz mitmachen.
Was hat der Kioto-Prozess also gebracht? Immerhin gibt es seit 2005 den Emissionshandel auf dem europäischen Markt, und der Technologietransfer von den Industriestaaten in die Entwicklungsländer ist eingeleitet. Vor allem aber hat sich die öffentliche Meinung grundlegend geändert: Die extremen Naturkatastrophen der vergangenen zehn Jahre konnte allerdings auch kaum jemand ignorieren.
In den USA hat der Hurrikan »Katrina« im August 2005 im Großraum New Orleans verheerende Schäden angerichtet. Europa erlebte immer wieder sommerliche Hitzerekorde, am schlimmsten war der August 2003, als die Hitzewelle 37.000 Tote kostete.
Inzwischen warnen sogar Wirtschaftswissenschaftler vor den Kosten des Klimawandels – das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezifferte sie im April 2007 für Deutschland auf 800 Milliarden Euro im Jahr 2050 – falls die Klimaerwärmung ungebremst weitergehe. Anders als 1997 herrscht auf der ganzen Welt inzwischen das Gefühl: Wir müssen etwas tun.
Schon vor Bali zeigten sich die großen Schwellenländer China, Indien und Brasilien aufgeschlossen für den Klimaschutz. Die EU profilierte sich weiter als Antreiber und verpflichtete sich, ihre Emissionen bis 2020 um 20 Prozent zu senken und noch mal 10 Prozent draufzulegen, wenn genügend andere Länder auf den Klima-Kahn aufspringen. Als Australien dann kurz vor dem Treffen in Bali seine jahrelange Klimablockade beendete und dem alten Kioto-Protokoll beitrat, standen die USA plötzlich allein als Klimakiller da.
In Bali haben die USA endlich anerkannt, dass sich das Klima durch die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle ändert – das war der erste Erfolg der Konferenz. Der zweite besteht darin, dass die Welt den globalen Temperaturanstieg auf 2 Grad begrenzen will und damit auch das Ziel anstrebt, die CO2-Emissionen bis 2020 zu halbieren.
Darum wollen die Industriestaaten inklusive der USA nun einen »messbaren, überprüfbaren und national angemessenen« Beitrag leisten. Auch die Entwicklungs- und Schwellenländer haben zugesagt, sich messbare Ziele zu setzen, und bekommen dafür Unterstützung durch die Industriestaaten. Wie von einem fernen Licht wurde Bali dabei vom nahenden Ende der Ära Bush geleitet: Wer auch immer diesem Glaubenseiferer im mächtigsten Amt der Welt folgt – es kann nur besser werden.
Der Klimawandel wird in den kommenden Jahren zu einem entscheidenden Konfliktfeld der internationalen Politik werden. Im Dezember 2008 wird man sich im polnischen Posen darüber streiten, wer sich worauf verpflichten will, und bis zur Konferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 sollen alle wichtigen Festlegungen erfolgen. Nach 2010 müssten dann nur noch die Details der Durchführung geregelt werden. Danach sind zwei Jahre für die Ratifizierung in fast 200 nationalen Parlamenten vorgesehen, damit das neue Abkommen ab Januar 2013 umgesetzt werden kann. Erst Kopenhagen wird zeigen, wie erfolgreich Bali war.
Pierre Radanne ist Energieberater und Autor von »Energies de ton siècle! Des crises à la mutation«, Paris (Lignes de repères) 2005.
Quelle:
Atlas special - Klima,
Le Monde diplomatique.
© 2007
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