In den reichen Ländern sind arme Menschen keineswegs verschwunden. Die Ungleichheiten haben dramatisch zugenommen, auch tritt Armut in unterschiedlichen Formen auf: zu wenig Geld, um Essen, Kleider, Miete zu bezahlen, aber auch Beschränkungen des Zugangs zu Bildung, medizinischer Versorgung und Freizeitmöglichkeiten.
Die offizielle Armutsdefinition der Europäischen Union lautet: »Arm sind Einzelpersonen, Familien und Personengruppen, die über so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum hinnehmbar ist.«
Dieses Minimum legt die EU auf 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens fest, das als Parameter die Einkommensverteilung besser abbildet als das Durchschnittseinkommen. Denn der Medianwert ist die Linie, die in Bezug auf das Einkommen die Gesamtbevölkerung exakt halbiert: das Einkommen der einen Hälfte liegt unter und das der anderen über diesem Wert.
2003 lebten in der EU 72 Millionen Menschen und damit 16 Prozent der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze, in Griechenland sind 21 Prozent arm, in Portugal und Italien 19 Prozent, in Irland ebenfalls 21 Prozent und in Großbritannien 18 Prozent.
Gemeinsam ist diesen Ländern, dass sie wenig Geld für Sozialleistungen ausgeben. Frankreich liegt mit 11 Prozent unter dem EU-Durchschnitt, anders als oft behauptet jedoch mit steigender Tendenz.
Abgesehen von der Slowakei (21 Prozent Arme) und Estland (18 Prozent) liegen die EU-Beitrittsländer mit rund 15 Prozent Armutsbevölkerung im Mittelfeld der EU, wobei der Medianwert natürlich in Deutschland und Frankreich deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt.
Das heißt beispielsweise, dass die ärmsten 10 Prozent der französischen Bevölkerung über ein Einkommen verfügen, das doppelt so hoch liegt wie das Medianeinkommen der Polen.
Die Orientierung der Armutsgrenze an einem nationalen Mittelwert ist freilich nicht unproblematisch, zumal wenn wir an Konsumgüter denken. Denn natürlich sind bestimmte Dinge wie zum Beispiel ein Auto nicht unerlässlich für die Entfaltung des Menschen.
Insgesamt haben die neuen EU-Länder ein niedriges Konsumniveau und einen niedrigen Lebensstandard: so haben ein Drittel der Rumänen keine Toilette in ihrer Wohnung (zum Vergleich: bei den Polen sind es 16, bei den Portugiesen 10 und bei den Franzosen 2 Prozent).
Ende der 1990er-Jahre tauchte innerhalb der EU ein Phänomen auf, das bislang hauptsächlich aus den USA bekannt war: die working poor. 2003 waren 7 Prozent der EU-Bevölkerung trotz bestehender Beschäftigung als arm eingestuft (3 Prozent in Dänemark, 9 Prozent in Frankreich, 10 Prozent in Spanien, 13 Prozent in Portugal; von den betroffenen Franzosen hatten 63 Prozent das ganze Jahr gearbeitet).
Das Problem Armut trotz Arbeit trifft insbesondere Frauen, die teilzeitbeschäftigt sind.
Während überall die Arbeitslosen das große Heer der Armen bilden, sind zunehmend auch Rentner von relativer Armut betroffen (17 Prozent im europäischen Durchschnitt, jeder zehnte französische Rentner).
Dabei droht sich die Situation mit der Verlängerung der Beitragszeit und der Reduzierung der Rentenzahlungen in praktisch allen Mitgliedsländern noch zu verschärfen.
Die ökonomischen Einschränkungen im Alltag betreffen alle Lebensbereiche, von der Wohnsituation (in der EU sind 18 Millionen Menschen entweder obdachlos oder leben in völlig heruntergekommenen, unzumutbaren Wohnungen) bis hin zu Bildung und Gesundheit: 11 Prozent der Franzosen haben aus finanziellen Gründen keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung, und Angestellte haben eine sieben Jahre längere Lebenserwartung als Arbeiter.
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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.
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