Eine unerfreuliche Konsequenz der Globalisierung auf der Ebene der Arbeitsorganisation wird in den Jahresberichten des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) sichtbar: Jahr für Jahr registrieren sie – ungeachtet der vorhandenen internationalen Konventionen – eine zunehmende Unterdrückung der gewerkschaftlichen Arbeit.
Der Bericht für 2001 vermerkt, dass die gewerkschaftlichen Rechte weltweit zurückgedrängt werden. Das galt auch für die Industrieländer und wird durch Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf bestätigt.
Allein im Jahr 2004 mussten 145 Gewerkschafter ihr gewerkschaftliches Engagement mit dem Leben bezahlen, das waren 16 mehr als im Vorjahr. Dazu gab es 700 gewaltsame Angriffe gegen Gewerkschafter und rund 500 Morddrohungen zu verzeichnen. Eine steigende Tendenz zeigt sich auch bei unzulässigen Kündigungen, unterdrückten Streiks, Einschränkungen des Streikrechts und staatlichen Eingriffen in Arbeitskämpfe.
Die Globalisierung neoliberalen Typs hat die Situation verschärft. Zusammen mit der Ausweitung des radikalen Konkurrenzprinzips auf internationaler Ebene haben Verbote und repressive Maßnahmen gegen Gewerkschaften zugenommen. Organisationsfreiheit, Streikrecht und Tarifautonomie sind auch deshalb in Gefahr, weil die Entfernung zwischen den Chefetagen und den Produktionsstandorten immer weiter wächst.
In Ländern, denen der Internationale Währungsfonds seine Strukturanpassungsprogramme verordnet hat, sind die Regierungen genötigt, soziale Forderungen zurückzuweisen, weil die Schuldentilgung Vorrang hat.
Auch in den ehemals staatsmonopolistischen Ländern Mittel- und Osteuropas müssen die neu gegründeten Gewerkschaften erleben, wie ihre Rechte, die sich in den alten Zeiten allerdings auf die Verteilung der in monopolistischen Großbetrieben üblichen Vorteile beschränkten, schrittweise weiter abgebaut werden. Besonders gravierend ist die Rechtlosigkeit der Arbeitnehmer in Ländern mit starker Schattenwirtschaft.
Aus der Sicht der multinationalen Unternehmen bieten diese Länder klare Standortvorteile: niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen, Ausbeutung von Frauen und Kindern. Bauern dürfen sich in vielen Ländern grundsätzlich nicht gewerkschaftlich oder genossenschaftlich organisieren. Das gilt auch für die Beschäftigten in den Sonderwirtschaftszonen, wo alles im Sinne der ausländischen Investoren laufen muss. Eine Behinderung der Geschäfte durch Arbeitnehmerrechte wird nicht geduldet.
Auch die geschlechtsspezifische Benachteiligung von Arbeitnehmern spielt eine wichtige Rolle. Zum Beispiel betreffen die Nachteile und Belastungen von Leiharbeit, Zeitarbeit, Gelegenheitsarbeit, Teilzeitarbeit wie von befristeten Beschäftigungsverhältnissen vorwiegend Frauen.
In den exportorientierten Branchen der legalen Wirtschaft finden sich die Frauen zumeist am unteren Ende der beruflichen Hierarchien, wo die Jobs besonders unsicher sind. Sie arbeiten eher in Bereichen ohne gewerkschaftliche Organisation, Sozialleistungen oder ordentlichen Kündigungsschutz – womit ganze Familien in eine Abwärtsspirale getrieben werden.
Auch Tarifverhandlungen sind unter den neuen Bedingungen immer schwerer zu führen. Da die Multis beweglicher und weniger an Standorte gebunden sind, können sie die nationalen Beschränkungen und vertraglichen Verpflichtungen leicht umgehen: Um die Gewerkschaftsfreiheit, die Tarifhoheit oder das Streikrecht einzuschränken, brauchen sie oft nur mit Standortverlagerung zu drohen.
Auch wenn sich einige Organisationen international vernetzt haben – vor allem in multinationalen Konzernen – sind bisher noch kaum neue rechtliche Grundlagen für ein wirkungsvolles international agierendes Gegengewicht der Beschäftigten entstanden.
Gleichwohl versuchen Gewerkschaften, Arbeitnehmerverbände und ILO die multinationalen Unternehmen auf bestimmte Grundsätze zu verpflichten, die sich zum Beispiel auf Kinderarbeit oder fairen Handel beziehen. Verglichen mit den Vorgaben der Welthandelsorganisation wirken die Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) jedoch überwiegend wie ein Katalog frommer Wünsche.
Pierre Tartakowsky ist Journalist und Autor von »Mise en pièce«, Paris (Folies d'encre) 2005.
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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.
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