Nach Angaben der Welthandels- und Entwicklungskonferenz (Unctad, United Nations Conference on Trade and Development) hat sich die Exporttätigkeit der Entwicklungsländer insgesamt in den vergangenen zwei Jahrzehnten strukturell stark verändert. Heute sind etwa 70 Prozent der Exporte aus diesen Ländern Industrieerzeugnisse – vor allem aus Fernost –, während sie vor zwanzig Jahren noch zu drei Vierteln aus Grundstoffen bestanden.
Diese Zahlen kaschieren allerdings die beträchtlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Weltgegenden. So hat Afrika vom rasanten Anstieg der Industriegüterexporte fast gar nicht profitiert, hier machen sie durchschnittlich nur 30 Prozent der gesamten Exporte gegenüber 20 Prozent im Jahr 1980 aus.
Seit 1960 sind die realen Rohstoffpreise tendenziell gestiegen, bis 1974 eine stark schwankende Abwärtsbewegung begann, mit zeitweiligen Einbrüchen und kürzeren Spitzen. Im Gefolge der Asienkrise sanken die Preise in den Jahren 1997 bis 2001 um fast 53 Prozent. Sie gingen so stark zurück, dass für importierte Industriegüter de facto die doppelte Menge an Rohstoffen exportiert werden musste. Hauptursache für diesen Preisverfall war die Sättigung der Märkte.
Angesichts ihrer exponentiell steigenden Verschuldung in den 1960er- und 1970er-Jahren mussten die Länder des Südens immer mehr exportieren, um an die für den Schuldendienst erforderlichen Devisen heranzukommen. Sie spezialisierten sich auf zwei oder drei Grundstoffe, von denen sie in hohem Maße abhängig wurden. Dabei machten sie sich gegenseitig Konkurrenz, was die Kurse einbrechen ließ.
Dieser fatale Sachverhalt spielte eine entscheidende Rolle bei der Schuldenkrise, die den Kapitaleignern und den multinationalen Unternehmen half, die Hegemonie über die Weltwirtschaft zu übernehmen. Die so genannten Strukturanpassungsprogramme (Structural Adjustment Programmes, SAP), die man den überschuldeten Ländern seit über fünfundzwanzig Jahren aufzwingt, haben deren Abhängigkeit von den Grundstoffen und ihre wirtschaftliche Verwundbarkeit weiter erhöht. Die Zerschlagung der internationalen Abkommen zur Preisregulierung von Rohstoffen wie Kaffee, Zinn oder Kautschuk tat ein Übriges.
Für die beträchtlichen Kursschwankungen bei den Agrarprodukten sind neben klimatischen und anderen natürlichen Faktoren zum Teil auch politische Unruhen verantwortlich. So ließ Ende 2002 der gescheiterte Putsch in der Elfenbeinküste gegen Präsident Gbagbo und der darauf folgende Bürgerkrieg die ohnehin empfindlichen Kakaopreise steigen. Und natürlich verändern auch neu hinzukommende Erzeugerländer wie beispielsweise Vietnam als Kaffeeproduzent die Marktsituation.
Dass die Konferenz der Welthandelsorganisation WTO im September 2003 im mexikanischen Cancún scheiterte, lag jedoch an den überhöhten Agrarsubventionen der USA und der EU, namentlich für Baumwolle, Zucker und Fleisch. Aufgrund der enormen Summen, mit denen die USA ihren heimischen Baumwollanbau subventionieren (knapp 4 Milliarden Dollar im Jahr 2004), sind sie der größte Baumwollexporteur der Welt. Und dies obwohl die Herstellung pro Pfund in Burkina Faso nach Angaben des International Cotton Advisory Committee 0,21 Dollar kostet, gegenüber 0,73 Dollar in den USA.
Die Menschen bekommen die Folgen unmittelbar zu spüren: Im westafrikanischen Benin zum Beispiel führte der Verfall der Baumwollpreise (2001 sanken sie um 35 Prozent) dazu, dass weitere 4 Prozent der Bevölkerung unter die Armutsgrenze rutschten.
Im Übrigen liegen die von den reichen Ländern auf Rohstoffe erhobenen Zölle praktisch bei Null, was die Länder des Südens zusätzlich davon abhält, ihre Wirtschaft zu diversifizieren und weiterverarbeitete Erzeugnisse zu entwickeln – denn deren Export ist zollpflichtig. Der seit 2004 stetig anhaltende Aufwärtstrend bei den Kursen der wichtigsten Rohstoffe resultiert einerseits aus der erheblich gestiegenen chinesischen Nachfrage und andererseits aus den großen Gewinnchancen kurzfristiger Finanzspekulationen.
Für den rasanten Ölpreisanstieg spielt freilich auch die politische Instabilität im Irak nach der Militärintervention der USA und ihrer Verbündeten eine wichtige Rolle. Sollte die Weltkonjunktur nachlassen und die Rohstoffnachfrage der USA oder Chinas sinken, könnte sich das Blatt jedoch wieder wenden. Dann käme es ähnlich wie in den 1980er-Jahren erneut zu einem Überangebot bei den Exporteuren und zu dem damit verbundenen Preisverfall.
Während die reichen Länder weiterhin davon profitieren, dass sie die Finanz- und Transportkreisläufe beherrschen, stehen die Agrarrohstoffe als nach wie vor ungelöstes Problem im Zentrum der Nord-Süd-Verhandlungen. In Cancún brachte der Auftritt einer Gruppe von Schwellen- und Entwicklungsländern (die so genannten G 20 um die Schlüsselländer Indien, China und Brasilien), die USA und Europa in Bedrängnis. Die Haltung der G 20 birgt allerdings die Gefahr, dass die allerärmsten, vor allem afrikanischen Länder ganz außen vor bleiben. Deren Hauptsorge gilt allemal der Frage, wie sie es schaffen können, Nahrungsmittelsouveränität zu erlangen.
Damien Millet ist Vorsitzender von CADTM France, Kommitee für die Annullierung der Schulden der Dritten Welt: Er ist ebenfalls Autor von “L’Afrique sans dette”, Paris (CATDM-Syllepse) 2005.
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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.
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