Die Berge von Müll aus Haushalten und Gewerbebetrieben wachsen den Städten und Gemeinden täglich mehr über den Kopf. Einerseits nehmen Einwohnerzahl und Konsum zu, andererseits verkürzt sich die Lebensdauer der oft voluminös verpackten Industrieprodukte.
Diese Produkte bestehen heute außerdem aus einer ständig größer werdenden Anzahl von Materialien, etwa bestimmter Kunststoffe, die schwer abbaubar sind.
Da die Kapazitäten des Abfallmanagements weit unter den Produktionskapazitäten für Konsumgüter liegen, wird die Zunahme beim Müllaufkommen schwer zu bremsen sein, vor allem bei anhaltendem Wirtschaftswachstum einiger bevölkerungsreicher Länder Asiens.
Wer sich näher für den Import und Export von Abfällen interessiert, wird zunächst überrascht feststellen, dass die entsprechenden Daten und Informationen nur schwer zu bekommen sind.
Die 1989 unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen verabschiedete Basler Konvention soll das Aufkommen und den grenzüberschreitenden Verkehr von Abfällen regeln. Der Vereinbarung sind inzwischen 165 Länder beigetreten. Die von der Basler Konvention bereitgestellten Zahlen auszuwerten ist jedoch eine knifflige Aufgabe.
Etwa dreißig Länder haben das Abkommen bislang nicht ratifiziert und stellen keine Statistiken zur Verfügung. Noch verwunderlicher ist, dass zwei Drittel der Unterzeichnerstaaten, unter anderem auch das umweltpolitische Musterland Norwegen, keine Daten übermitteln, und zwar wegen der komplizierten Deklarationsverfahren und der von Land zu Land unterschiedlichen Rechenmodelle.
Die existierenden Teilstatistiken erlauben dennoch interessante Rückschlüsse. So gibt es unter anderem eine deutliche Zunahme der Mülltransporte: Bei den 50 Ländern, von denen Angaben vorliegen, ist der Mülltransfer von insgesamt zwei Millionen Tonnen im Jahr 1993 auf 8,5 Millionen Tonnen im Jahr 2001 gestiegen. Drei Viertel des Müllvolumens bewegten sich zwischen den Industrieländern.
Fast alle diese Abfälle waren offiziell als »gefährlich« eingestuft. Allerdings ist diese Klassifikation eine fragwürdige Angelegenheit, weil auch ungefährliche Abfälle bei unsachgemäßer Behandlung zu Schadstoffen werden können.
In den 1980er-Jahren sind in den westlichen Ländern die Umweltbestimmungen erheblich verschärft worden. Eine Folge davon war die Expansion des mehr oder weniger illegalen Müllexports, vor allem nach Afrika. Nach mehreren Skandalen – erinnert sei an den syrischen Frachter »Zanoobia«, der 1988 mit 2.100 Tonnen giftigen Abfällen aus Italien beladen zehn Wochen über die Meere irrte – wurden mehrere internationale Abkommen unterzeichnet, die den Mülltransport in südliche Länder Beschränkungen unterwarfen oder ihn ganz verboten.
Daraufhin verlagerte sich der Export in osteuropäische Länder und in die ehemalige Sowjetunion, doch wenig später konzentrierte er sich auf die großen Abfall produzierenden Länder selbst. Aus doppeltem Grund: Einerseits war der Markt für die Behandlung gefährlicher Abfälle für einschlägige Unternehmen überaus verlockend geworden, andererseits erforderte diese Behandlung eine Technik und eine Infrastruktur, die arme Länder finanziell überfordert hätten. So wurde der gefährliche Müll vom Problemfall zur Einnahmequelle.
Weit problematischer ist heute, dass die westlichen Länder Abfälle, deren Behandlung als zu umweltschädigend oder zu unrentabel gilt, zur »Wiederverwertung « nach Asien oder Afrika schicken. Der Elektronikschrott (Computer, Mobiltelefone usw.) ist ein bezeichnendes Beispiel: Die Zahl der Geräte steigt exponentiell, ihre Nutzungsdauer sinkt, und mehrere zur Herstellung verwendete Materialien sind giftig (Cadmium, Blei, Quecksilber).
Doch die Altgeräte gehen nach China, Indien oder Südafrika, um dort demontiert und recycelt zu werden. Diese Tätigkeit ist nicht nur gesundheitsgefährdend für die Beschäftigten, die unter unzumutbaren Bedingungen mit giftigen Substanzen hantieren müssen, sie verseucht auch Luft, Boden und Grundwasser. Ähnliches gilt für das Abwracken ausgedienter Frachtschiffe, auf das sich China, Indien und Bangladesch spezialisiert haben.
Viele Umweltschützer kritisieren diese Recyclingpraktiken und fordern vehement ein anderes Herangehen an das Problem: Die Umweltverträglichkeit der verwendeten Materialien sei schon bei der Herstellung zu berücksichtigen, lange Transportwege müssten vermieden und die Abfälle möglichst vor Ort behandelt werden, die Materialien seien wieder als Rohstoffe oder Energiequelle zu nutzen, vor allem anderen müsse aber der Konsum gebändigt werden. Dieses Ziel, das in allen aktuellen Umweltdebatten präsent ist, scheint die einzige vernünftige Alternative für den Planeten zu sein, auf dem im Jahr 2050 vermutlich über 9 Milliarden Menschen leben werden.
Emmanuelle Bournay arbeitet als Kartografin und Koautorin von “Vital Waste Graphics, Unep-Basel Convention”, 2004.
Secretariat of the Basel Convention, Unep
Internationale Clearing- und Informationsanlaufstelle für den Handel mit Giftmüll
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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.
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