Wie der Kampf gegen den Hunger scheitert

Im September 2000 haben alle UNO-Mitgliedstaaten im Rahmen der Millenniumsziele beschlossen, extreme Armut und Hunger zu bekämpfen. Bis zum Jahr 2015 soll der Anteil der Menschen, die Hunger leiden, halbiert sein. Inzwischen ist absehbar, dass dieses Ziel vor allem in Afrika nicht erreicht wird – obwohl heute mehr und viel billigere Nahrungsmittel produziert werden denn je.

Problem chronische Unterernährung

In den Entwicklungsländern kommen jedes Jahr mehr als 20 Millionen Kinder mit Untergewicht auf die Welt. Und jedes dritte Kind hat infolge von chronischer Unterernährung als irreversibel eingestufte Wachstumsstörungen. Die Welternährungs- organisation (Food and Agriculture Organization, FAO) stellt fest: »Die Hungersnöte haben in den beiden letzten Jahrzehnten zugenommen, und zwar von durchschnittlich fünfzehn pro Jahr in den 1980er-Jahren auf mehr als dreißig um die Jahrtausendwende. Von dieser Zunahme sind vor allem die Länder Afrikas betroffen, wo sich die durchschnittliche Anzahl der Hungersnöte pro Jahr fast verdreifacht hat.«

Natürliche Hauptursache für Hunger ist Wassermangel

Die häufigste natürliche Ursache für Hunger ist die Dürre. Wo ausreichend Wasser vorhanden ist, bringt die Landwirtschaft in aller Regel auch bessere Erträge, was die Chancen der Menschen erhöht, sich satt essen zu können: Die 17 Prozent der weltweiten Agrarfläche, die künstlich bewässert werden, liefern 40 Prozent der globalen Nahrungsmittelproduktion.

Das Essen wird billiger, der Hunger nimmt zu
Photo: © Le Monde diplomatique

Viele Hungersnöte durch den Menschen verursacht

Neben Dürren tragen auch andere Ursachen wie Überschwemmungen, Fröste oder Heuschreckenschwärme zu Nahrungsknappheit und Nahrungsmangel bei. Immer öfter ist deren Ursache jedoch der Mensch. Bewaffnete Konflikte, Vertreibung ganzer Bevölkerungen und bestimmte wirtschaftspolitische Entscheidungen waren 2004 zu mehr als 35 Prozent für Hungersnöte verantwortlich.

1992 lag dieser Anteil noch bei 15 Prozent. Im Bericht der FAO heißt es weiter: »In vielen Fällen verstärken sich natürliche und menschliche Ursachen gegenseitig, was zu überaus schweren und lang dauernden, komplexen Krisen führt. In den Jahren 1986 bis 2004 herrschte in 18 Ländern über mehr als die Hälfte der Zeit eine Krisensituation. In allen diesen Ländern haben Krieg, wirtschaftliche oder soziale Umwälzungen die Krise ausgelöst oder verschärft.

Neoliberale Konzepte verschärfen Hunger

«Die Ausrichtung an neoliberalen Wirtschaftskonzepten, wie sie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank mit Zustimmung der jeweiligen Regierungen der Länder durchgedrückt werden, ist in hohem Maße mitverantwortlich für den Rückgang der Nahrungsmittelsicherheit. Denn die Weltfinanzinstitutionen verlangen von den Entwicklungsländern, dass sie lebensnotwendige Güter nicht länger subventionieren, und lenken die erzielten Erträge vorrangig in den Schuldendienst.

Die zum Dogma erhobene radikale Liberalisierung der Wirtschaft, die der IWF den Entwicklungsländern mit den so genannten Strukturanpassungsprogrammen aufnötigt, beschleunigt den Niedergang der Agrarproduktion des Südens. Die Agrarsubventionen in den Ländern des Nordens und die ungleichen Regeln des Welthandels verschärfen die Situation zusätzlich.

Kinder sind die ersten Opfer
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Entwicklungshilfe im Agrarbereich dramatisch gesunken

Zudem ist die Entwicklungshilfe im Agrarbereich seit 1980 dramatisch gesunken: Sie beträgt heute pro in der Landwirtschaft Afrikas beschäftigter Person nur noch ein Viertel dessen, was 1982 an Unterstützung gewährt wurde. Hinzu kommt, dass die Geberländer ihre Hilfsleistungen nach geostrategischen Gesichtspunkten zuteilen, statt danach, welche Länder sie am dringendsten brauchen.

Aids verlangsamt Wachstum in der Landwirtschaft

Ein entscheidender Faktor für chronischen Nahrungsmangel ist die Ausbreitung von Aids. Im südlichen Afrika wird von fünf in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen mindestens einer vor dem Jahr 2020 an Aids sterben, was die Ernährungssicherheit der dortigen Bevölkerung stark gefährdet.

Als Folge von Aids verlangsamt sich das weltweite Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion einschließlich Viehzucht seit mehreren Jahren.

Ernährungsnotstand in der Dritten Welt
Photo: © Le Monde diplomatique

In Subsahara-Afrika stagniert die Lebensmittelproduktion

Nach Einschätzung der FAO »bedeutet diese geringe Wachstumsrate – 2002 lag sie im weltweiten Durchschnitt bei unter einem Prozent – einen Rückgang der Produktion pro Kopf«. In Subsahara-Afrika ist die Lage kritisch, denn das ist »die einzige Region, wo die Lebensmittelproduktion pro Kopf in den vergangenen dreißig Jahren nicht gestiegen ist. Nach einem deutlichen Rückgang in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren stagnierte sie und bewegt sich heute noch auf demselben Niveau wie vor zwanzig Jahren.

Ein groteskes Beispiel ist die Demokratische Republik Kongo. In diesem rohstoffreichen Land hungern 71 Prozent der Bevölkerung. Von den 35 Ländern, die von schwerer Lebensmittelknappheit betroffen sind, liegen 24 in Afrika – womit wohl der Beweis erbracht ist, dass das gegenwärtig praktizierte Entwicklungsmodell nicht viel taugt.

Autor: Damien Millet:

Damien Millet ist Vorsitzender von CADTM France, Kommitee für die Annullierung der Schulden der Dritten Welt: Er ist ebenfalls Autor von “L’Afrique sans dette”, Paris (CATDM-Syllepse) 2005.

Mehr Informationen zu dem Thema:

Entwicklungspolitik Online

Komitee für die Streichung der Schulden der Dritten Welt

Welternährungsorganisation

Welternährungsprogramm

Center for International Earth Science Information Network

Eldis Gateway to Development Information

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Quelle:
Atlas der Globalisierung,
Le Monde diplomatique.

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