· Naturefund-Baumbrief

Wir haben bereits 103 Baumschulen aufgebaut!

In den  letzten Monaten ist viel pasiert in unserem Aufforstungsprojekt in Honduras. Mittlerweile haben wir schon 103 Baumschulen aufgebaut und auch die Feuerwehr in der Bezirkshauptstadt Catacamas macht mit.

Lieber Leser, liebe Leserin,

in den letzten Monaten ist viel passiert in unserem Aufforstungsprojekt in Honduras. Sie haben es schon im Titel gesehen: Mittlerweile haben wir 103 Baumschulen aufgebaut!

In verschiedenen Dörfern im Nationalpark Patuca haben 96 Familien Baumschulen aufgebaut, in denen aktuell 14.800 Setzlinge heranwachsen. Auch fünf Schulen im Park haben Baumschulen errichtet mit 1.800 Setzlingen. Hinzukommen zwei Baumschulen in der Bezirkshauptstadt Catacamas, darunter eine bei der Feuerwehr, in denen derzeit 22.000 Setzlinge heranwachsen.

Seit fast vier Jahren unterstützt Naturefund und damit auch Sie die Wiederaufforstung im Nationalpark Patuca. Nachdem wir soviel aus dem Park berichtet haben, wollen wir diesmal ein wenig von unserer Arbeit hier in Deutschland erzählen. Wir wollen Sie daran teilhaben lassen, wie die Zusammenarbeit zwischen Naturefund und der Asociación Patuca in Honduras sich entwickelt, welche Schwierigkeiten und auch wunderbaren Momenten es in einer Zusammenarbeit über die Ozeane hinweg gibt.

Ganz entgegen den Gepflogenheiten im Internet ist dies ein längerer Brief, vielleicht dauert es 10 oder auch 15 Minuten, ihn zu lesen. Doch wir wollen ihnen ein wenig mehr erzählen über diese Zusammenarbeit, die nicht nur Bäume wachsen lässt.

Januar 2010, Katja Wiese, Geschäftsführerin Naturefund
 

In den ersten drei Jahren haben wir gemeinsam mit der Asociación Patuca das Aufforstungsprojekt aufgebaut. Die Zusammenarbeit war gut, kreativ, sehr menschlich. Anfangs haben wir vor allem Baumsetzlinge groß gezogen, die Nahrung für die Menschen bieten und ihnen langfristig ein Einkommen sichern. Zudem sind diese Setzlinge eine Alternative zur Abholzung. Ursprünglich war der vorherrschende Gedanke: Nur ein toter Baum ist ein guter Baum. Langsam wandelt sich dieses Denken, denn Bäume können Nahrung geben, Einkommen schaffen und die Wasserversorgung in den Trockenmonaten sicherstellen.

Doch wir haben noch einen weiten Weg vor uns, denn mittlerweile sind 40 Prozent der Flächeim Park abgeholzt. Wer auf den Weg von Catacamas in den Park hinein reist, sieht stundenlang kahle Hügel, kleine, übriggebliebene Bauminseln, immer wieder Vieh. Die Auswertung von Satellitenbilder zeigt deutlich, dass trotz unserer Arbeit die Abholzung im Park weitergeht. Jedes Jahr verschwinden etwa 5 Prozent der noch bestehenden Waldfläche. Vermutlich wären es noch mehr, wenn wir nicht da wären, doch wir müssen uns noch mehr einfallen lassen, wie wir die Abholzung stoppen und die kahlen Flächen wieder aufforsten können. Der Park umfasst 3.770 Quadratkilometer und davon sind mehr als 1.200 Quadratkilometer mittlerweile abgeholzt und müssen wieder aufgeforstet werden. Wie schaffen wir das? Naja, wir von Naturefund haben ja immer große Träume. Ich stelle einfach mal eine Anfrage an die Asociación Patuca, ob sie schon eine Idee haben.

Februar 2010, Katja Wiese

Die Asociación Patuca hat in ihrem vierteljährlichen Bericht geantwortet. Sie wollen uns einen Vorschlag für die Wiederaufforstung machen. Ich bin gespannt.

März 2010. Katja Wiese

Die Asociación Patuca hat einen Vorschlag geschickt, der 1. Weitere Baumschulen mit 'Nahrungsbäumen' vorsieht und 2. ganze 20 Hektar in den Wassereinzugsgebieten aufforsten will.

Mein erster Gedanke ist: Jungs und Mädels, 20 Hektar sind ein bisschen wenig. Und neue 'Nahrungsbäume' sind auch nicht die Lösung. Wir haben 1.200 kahle Quadratkilometer vor uns oder auch 120.000 Hektar. Bei 20 Hektar pro Jahr würden wir 6.000 Jahre brauchen – die jährliche Abholzung nicht eingerechnet. Mir geht es erst einmal um eine Idee, eine Maßnahme oder einen Mechanismus, den wir entwickeln können, um die Aufforstungen für die Menschen attraktiv zu machen.

Also Frage noch einmal zurück mit der Aufforderung: Träumt weiter und größer. Entwickelt ein größeres Konzept, eine Vision für die Wiederaufforstung.

April 2010, Katja Wiese

Neuer Vorschlag von der AP in einem sehr langen und dicken Dokument mit vielen Fotos und Zahlen. Doch das einzig Neue ist, dass die AP statt 'Nahrungsbäumen' jetzt 'Holzbäume' pflanzen will, also Bäume, die später abgeholzt und verkauft werden können.

Noch einmal zurück mit derselben Frage, die Wörter Vision und Mechanismus zur Wiederaufforstung schreibe ich fett und unterstreiche sie.

Mai 2010, Katja Wiese

Der nächste Vorschlag der AP sieht jetzt die Holzbäume für die Wiederaufforstung der Wassereinzugsgebiete vor, die nicht abgeholzt werden sollen. Schon einmal ein Schritt. Doch es erscheint mir fast so, wie 20 Hektar aufzuforsten bei 1.200 kahlen Quadratkilometern.

Kommunikation ist gar nicht so leicht. Vielleicht drücke ich mich auch falsch aus oder wähle den falschen Ansatz? Wir diskutieren intern, dann mit Hauke Hoops, der die Asociación Patuca aufgebaut hat, heute für eine internationale Hilfsorganisation in Panama arbeitet, doch noch immer im Vorstand der AP ist.

Ich schlage vor, dass wir den ganzen Prozess auf Null stellen und völlig neu von vorne anfangen. Es wäre viel besser, erst einmal miteinander zu sprechen, gemeinsam Ideen zu entwickeln, zu erklären, was ich mit Vision und Mechanismus meine. Zudem wäre es bestimmt hilfreich, wenn Naturefund direkt mit der Forstingenieurin Nelly Paz und ihrer Mitarbeiterin Candy Alvarado spricht. Beide arbeiten direkt im Park, sind viel näher an den Menschen dran und erleben die Problematik vor Ort hautnah.

Hauke will den Vorschlag von Naturefund mit der AP zu diskutieren, vermutet jedoch, dass es ein bisschen dauern könnte. Der Ansatz von Naturefund bedeutet Veränderungen und ist völlig anders, als der vieler Hilfsorganisationen. Erst einmal reden, noch dazu eine Vision entwickeln, keine Dokumente produzieren. Zudem werden Hierarchien und Zuständigkeiten neu sortiert. Das ist nirgendwo einfach, doch in einem „Macholand“ wie Honduras doppelt schwierig.

Kann ich verstehen, Veränderungen sind nie leicht. Wir warten.

Juni 2010, Hauke Hoops aus Honduras

Erste Rauchsignale kommen aus Honduras, die Diskussion innerhalb der AP ist offen, wenn auch ein wenig unsicher. Die Weichen stehen grundsätzlich auf Grün, schließlich ist sich auch die AP bewusst, dass sie vor einer großen Aufgabe steht, ein sehr großen. Wie können sie den letzten großen Regenwald in Mittelamerika für sich, für uns und auch für nachfolgende Generationen schützen?

Wir von Naturefund warten.

Juli 2010, Vorstand der Asociación Patuca

Grünes Licht vom Vorstand der AP. Neue und direkte Ansprechpartnerin für Naturefund wird Nelly Paz. Mit ihr gemeinsam werden wir ein Aufforstungskonzept für den Nationalpark Patuca entwickeln. Nelly wird dies immer wieder mit dem Vorstand der AP wie auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen abstimmen.

Doch erst einmal werden Katja, Nelly und teilweise auch Hauke in gemeinsamen Skypekonferenzen die Problematik im Park besprechen und zusammen Ideen entwickeln, wie die Abholzung gestoppt und die kahlen Flächen wieder aufgeforstet werden können. Welches Wunder ist dafür notwendig oder welcher Mechanismus?

Die erste Skypekonferenz, Bericht von Nelly Paz, Honduras

„Gemeinsam wollen wir das Aufforstungskonzept für den Nationalpark Patuca erweitern. Es ist Völlig neu für mich, dass es erst einmal nicht darum geht, ein schriftliches Konzept zu erstellen. Statt dessen schlägt Katja von Naturefund vor, dass wir erst einmal Ideen und eine Vision für den Nationalpark Patuca in gemeinsamen Gesprächen entwickeln. Per Email stimmen wir Termine ab und vereinbaren für unsere erste Skypekonferenz einen Termin um 5 Uhr morgens in Honduras für mich, Nelly Paz von der Asociación Patuca, um 6 Uhr in Peru, wo sich Hauke Hoops gerade aufhält, und um 13 Uhr in Deutschland für Katja Wiese von Naturefund.

Es ist der Tag der ersten Skypekonferenz. Mein Wecker klingelt um 4.30 Uhr. Zum Glück liegt das Büro nur 5 Gehminuten von meiner Wohnung entfernt. Doch mein kleiner dreijähriger Sohn hat mich heute Nacht mehrmals geweckt und ich bekomme die Augen kaum auf. Da fällt mir ein, das wir heute unsere erste Skypekonferenz haben und auf einmal bin ich hellwach. Ich gehe schnell unter die Dusche, ziehe mich an und bin kurz vor 5 Uhr in den noch dunklen Straßen von Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras unterwegs. Als ich ins Büro komme, mache ich das Licht und gleich den Computer an, noch 2 Minuten bis 5 Uhr. Ich starre auf den Bildschirm, gespannt darauf, dass sich das Skypefenster öffnet. Doch was muss ich feststellen? Keine Internetverbindung!

Ich denke an Katja und Hauke, daran, dass sie bestimmt jetzt miteinander verbunden sind und sich fragen, wo ich bleibe. Die Minuten verstreichen. Was kann ich tun? Mir fällt ein, dass Dina, die Vorsitzende der Asociación Patuca, heute nach Palestina fährt und vielleicht schon aufgestanden ist. Ich rufe Sie auf dem Handy an und habe Glück. Sie ist bereits wach und sehr hilfsbereit. Sie setzt sich gleich an ihren privaten Computer und informiert Katja und Hauke darüber, dass ich da bin, aber das Internet bei uns nicht funktioniert.

Im Verlauf des Tages stellt sich die Internetverbindung im Büro wieder ein und wir vereinbaren ein Konferenz für den nächsten Tag, ein Stunde später als heute ... worüber ich mich ein bisschen freue, wie ich zugeben muss, denn so kann ich ein wenig länger schlafen.

Der nächste Tag kommt und ich bin nervös, als ich ins Büro komme. Wird das Internet heute funktionieren? Ich stelle gespannt den Computer an und warte ungeduldig darauf, dass das kleine Icon erscheint, welches die Verbindung zum Internet anzeigt. Und – es klappt heute!

Ich verbinde mich mit Skype und meine Gedanken wandern zu dem Gespräch. Welche Richtung werden wir für die Aufforstung im Park einschlagen? Vor allem mache ich mir Gedanken darüber, dass ich kaum Englisch spreche, wenigsten nicht in einem langen Gespräch.

Alle sind da, das Gespräch beginnt. Erst einmal wechseln wir Worte der Begrüßung, sprechen über das Wetter in Honduras, in Peru und in Deutschland, über die frühe Zeit bei uns oder die Mittagszeit in Deutschland, wie eben der Anfang von einem normalen Gespräch ist. Wir sprechen Spanisch und Englisch. Da wo ich mein Englisch verliere oder Katja ihr Spanisch, hilft Hauke, der beide Sprachen gut beherrscht. Schritt für Schritt verliere ich meine Nervosität, höre gespannt zu, wie Katja lebhaft über mögliche Initiativen für die Aufforstung im Park spricht. Auf einmal sind meine Befürchtungen verschwunden und ich fange an, mich einzubringen, mit Katja und Hauke Ideen und erste Schritte zu entwerfen, wie wir die abgeholzten Flächen im Park wieder aufforsten können.

Nach ungefähr einer Stunden verabschieden wir uns. Ich bin erleichtert, habe ich doch meine erste Konferenz in Englisch gemeistert und mich dabei wohlgefühlt. Ich habe auch gesehen, dass die Asociación Patuca noch einen weiten Weg vor sich hat, doch wir sind nicht allein. Naturefund begleitet uns dabei.

Ich gehe zurück zu meinem Haus und mache mir einen Pfefferminztee. Am Küchentisch sitzend, die heiße Tasse in meiner Hand denke ich über das Gespräch nach, darüber, wie ich die besprochenen Ideen mit meinen Kollegen und Kolleginnen weiter entwickeln werde, wie wir die ersten Schritte umsetzen können. Ich denke über diese andere Herangehensweise von Naturefund nach, bei der wir keine großen Dokumente mit viel Papier produzieren müssen, sondern zusammen eine Vision entwickeln, die uns auf unserem langen Weg für den Schutz Regenwaldes hilft...“

Lieber Leser, liebe Leserin, wenn Sie bis hierher gekommen sind, haben sie vielleicht einen kleinen Eindruck von dem schrittweisen Prozess bekommen, der so typischer Teil dieses Projektes ist, bei dem Sie uns unterstützen. Da wir für diesen Baumbrief jetzt genug geschrieben haben, erzählen wir Ihnen im nächsten Brief mehr davon, welche Visionen wir entworfen haben und noch entwerfen.

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